14. FTTH Konferenz 2017 in Marseille

Europa verfügt über knapp 150 Millionen Glasfaseranschlüsse

11. April 2017, 10:57 Uhr | Von Gerhard Kafka.

Der Branchenverband FTTH Council Europe veranstaltete die vierzehnte Auflage seiner jährlichen Kongressmesse diesmal in Marseille. Die Auswahl erfolgte unter anderem deshalb, weil Frankreich mit seinem Plan "Plan France Très Haut Débit" - ein von der Regierung abgesegneter ehrgeiziger Plan für die flächendeckende Versorgung aller 100 Provinzen mit Hochgeschwindigkeitsbreitband bis 2022 - auch als Blaupause für andere Länder in Betracht käme. In der mit Spannung erwarteten Veröffentlichung der Rangliste der Länder, die eine Penetrationsrate bei FTTH/B von mehr als einem Prozent erreicht haben, gab es diesmal mit Österreich und Serbien zwei Neuzugänge.

Die nach wie vor weltweit größte Veranstaltung zum Thema Glasfaser bis ins Haus fand zu Beginn des Jahres in Marseille statt. Die Schirmherrschaft über diese zukunftsorientierte Veranstaltung übernahm diesmal niemand geringerer als der französische Staatspräsident François Hollande persönlich. Im Vorfeld der zweitägigen Kongressmesse fanden bereits neun fachspezifische Workshops statt. Die über 3.000 Besucher aus 84 Ländern konnten sich in den 14 Sessions des Kongresses mit Vorträgen von 155 Sprechern und Podiumsdiskussionen sowie bei den 120 Ausstellern und Partnern über die aktuellen Entwicklungen bei der Glasfaserinfrastruktur und die darüber offerierten Dienste informieren.

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Die Podiumsdiskussion in Session 4 fokussierte sich auf die neuen Gigabitziele bis 2025 der Europäischen Kommission. Bild: Kafka

Eröffnet wurde die Konferenz von Daniel Sperling, stellvertretender Bürgermeister von Marseille - mit mehr als 855.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Frankreichs - der in seinem Amt auch für Innovation, digitale Technologie und besseres kommunales Leben verantwortlich ist, gefolgt von Ronan Kelly, amtierender Präsident FTTH Council Europe. Weitere Grußadressen wurden von Antoine Darodes, Direktor der französischen Digital Agentur (L?Agence du Numerique), einer Subagentur des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen Anthony Whelan, Direktor für elektronische Kommunikationsnetzwerke und Services, Europäische Kommission vorgetragen. Weitere Hintergrundinformationen und der neu erstellte Leitfaden "Services and Applications Guide - Where does the money come from?" können kostenlos von der Webseite des Councils www.ftthcouncil.eu heruntergeladen werden.

Kelly erläuterte in seiner Grußadresse, warum die FTTH Konferenz dieses Jahr in Frankreich stattfindet: Frankreich habe es in kurzer Zeit geschafft, Mitglied in dem ausgewählten Klub der führenden Gemeinschaft "Glasfaser bis ins Haus" zu werden. Diese Position wurde laut Kelly erreicht, weil die Regierung und die Industrie die Vorteile von FTTH bereits früher als andere erkannt haben, weil eine Vision dazu bestand, was mit der Kapazität, die nur die Glasfaser liefert, zu erreichen ist, und weil deutlich wurde, wie wichtig es für Frankreich ist, zu den weltweit digital Führenden zu zählen. Frankreich wisse zudem, so Kelly, dass seine Kinder diese Glasfaserbasis benötigen, um erfolgreich auf dem globalen digitalen Marktplatz konkurrieren zu können.

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Die Podiumsdiskussion in Session 2 beleuchtete die Glasfaserevolution sowie die Position Europas im weltweiten Vergleich. Bild: Kafka

Daniel Sperling, stellvertretender Bürgermeister Marseille, erwähnte in seiner Grußadresse, dass bereits heute 50 Prozent der französischen Bevölkerung mit sehr hohen Geschwindigkeiten an das Internet angeschlossen sind. Und in Marseille liegt der Prozentsatz schon über 80. Diese Zahlen sind das Resultat des Breitbandplans "Plan France Très Haut Débit" der französischen Regierung, der in den Jahren 2013 bis 2022 eine flächendeckende Versorgung der rund 35 Millionen Gebäude mit Hochgeschwindigkeitsinternetzugängen vorsieht. Für diesen Ausbau sind rund 20 Milliarden Euro erforderlich, die einerseits von privaten Betreibern (Anteil zwischen 6 und 7 Milliarden Euro) und lokalen öffentlichen Verwaltungen (Anteil zwischen 13 und 14 Milliarden Euro, wovon mehr als drei Milliarden von der zentralen Regierung beigesteuert werden) investiert werden. FTTH-Infrastrukturen haben dabei die höchste Priorität. Mit diesem ehrgeizigen Zehnjahresprogramm ist auch die Schaffung von rund 20.000 neuen Arbeitsplätzen verbunden.

Kelly verwies ferner auf eine neue Studie über die Kosten des Breitbandausbaus mit Glasfaser für ganz Europa, die am zweiten Tag der Konferenz genauer vorgestellt wurde. Die von Comsof im Auftrag des FTTH Councils erstellte Studie beziffert die Kosten für den Glasfaserausbau in den 28 EU-Mitgliedsländern mit 156 Milliarden Euro, und zwar unter Berücksichtigung der bereits implementierten glasfaserbasierenden Infrastrukturen. Durch den Einsatz kostenreduzierender Maßnahmen wie zum Beispiel der Verwendung von bereits verlegten Leerrohren, Kostenteilung mit anderen Versorgungsinfrastrukturen oder alternativen Verlegeverfahren könnten sich die Gesamtkosten sogar auf 137 Milliarden verringern. Aus unbekannten Gründen wurde jedoch die Verteilung dieser Kosten auf die einzelnen Länder nicht veröffentlicht. Raf Meersman, CEO Comsof, zeigte sich in seinem Fazit davon überzeugt, dass die Umsetzung möglich ist. Er regte zudem eine offene Diskussion seiner Berechnungen an.

Für ihre außergewöhnlichen Beiträge zur Beschleunigung des Glasfaserausbaus in Europa wurden diesmal zwei Preisträger ausgezeichnet: Deutsche Glasfaser Holding und Luis Alveirinho. Die Deutsche Glasfaser erhielt den FTTH Operator Award 2017 für ihre besondere Investitions- und Realisierungskraft sowie das erfolgreiche politische Engagement für den Glasfaserausbau in Deutschland. Die Unternehmensgruppe Deutsche Glasfaser mit Sitz in Borken, Nordrhein-Westfalen, ist spezialisiert auf den FTTH Infrastrukturausbau von privaten Haushalten und Gewerbegebieten in überwiegend ländlich strukturierten Regionen. Sie hat seit 2012 bewiesen, dass echte Glasfaserverbindungen bis in die einzelnen Haushalte und Unternehmen sehr weit auch ohne Subventionen möglich sind. 2014 wurden bereits rund 100.000 Haushalte mit Glasfaseranschlüssen versorgt. Für 2018 ist geplant, die Teilnehmerzahl auf 400.000 zu steigern. Geschäftsführer Joan F. Nieuwenhuis nahm die Auszeichnung entgegen.

Der Individual Award ging an Luis Alveirinho, Director of Network Planning and Implementation at Portugal Telecom (PT). Er ist für den Glasfaserausbau beim traditionellen portugiesischen Netzwerkbetreiber verantwortlich. Sein persönlicher Einsatz für die Glasfaser bis zum Kunden startete 2004 mit einem Pilotversuch in Lissabon und Porto. PT hat danach ab 2008 insbesondere im städtischen Raum mit der Implementierung von Glasfaseranschlüssen begonnen. Bereits 2010 wurden eine Million Haushalte angeschlossen. Heute sind über 3,2 Millionen Haushalte mit Glasfaser versorgt. Alveirinho hat sich darüber hinaus auch in Brasilien für den FTTH-Ausbau eingesetzt.

Traditionell wurden die aktualisierten Ranglisten der Länder mit mehr als einem Prozent Penetration der Haushalte mit FTTH/B vorgestellt. Weltweit gibt es mit den Vereinigten Arabischen Staaten mit 93,7 Prozent Penetration einen neuen Spitzenreiter gefolgt von Katar mit 87,9 Prozent und Singapur mit 85,4 Prozent. In Europa nimmt mit 45,2 Prozent Litauen den Spitzenplatz ein - gefolgt von Schweden mit 40,7 Prozent und Lettland mit 40,3 Prozent. Deutschland gehört mit 1,6 Prozent knapp vor Österreich mit 1,2 Prozent zu den Schlusslichtern dieser Rangliste. Mit 17 Millionen Teilnehmern besetzt Russland in Europa zahlenmäßig Platz 1, übrigens auch mit 49 Millionen bei den anschließbaren Haushalten.

Im Hinblick auf die steigenden Anforderungen an die Leistung von Breitbandanschlüssen und den rasanten Zuwachs bei FTTH/B hat die Europäische Kommission ihre Breitbandziele bis 2020 nun um eine Gigabit-Strategie bis 2025 erweitert. Dazu hat die Kommission drei strategische Ziele identifiziert:

  • Gigabit-Konnektivität für alle sozio-ökonomischen Treiber wie Schulen, Verkehrsknotenpunkte, Hauptanbieter von öffentlichen Diensten und digital intensiven Unternehmen
  • Flächendeckende 5G-Infrastruktur in allen Städten und allen wichtigen terrestrischen Transportwegen. Als Zwischenziel sollen bereits 2020 in jedem Mitgliedsland in mindestens einer Stadt kommerzielle 5G-Dienste angeboten werden
  • Alle europäischen Haushalte, gleichgültig ob städtisch oder ländlich, sollen Zugang zu Internetanschlüssen mit mindestens 100 MBit/s erhalten, die auf Gigabit-Geschwindigkeiten nachrüstbar sein müssen.

Der nächste Kongress des FTTH Councils Europe findet vom 13. bis 15. Februar in Valencia statt.

Gerhard Kafka.

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