Glosse: Warum Nokia den Smartphone-Wettlauf gegen Iphone und Android verliert

8. September 2010, 6:10 Uhr |

Was das Saarland unter den Bundesländern, das ist Nokias Ovi Store unter den App-Stores des Smartphone-Marktes: Irgendwie ist alles ein bisschen kleiner und, nun ja, angestaubter als anderswo.

Unzufrieden mit Tweets60, einem der raren Twitter-Clients für Nokias Symbian-Smartphone N97,
machte ich mich auf die Suche nach einem besseren Client für mein bevorzugtes Social Network. Nach
üppiger Ladezeit begrüßte mich das Portal mit "Empfehlungen?: einigen Spielen (die ich nicht
brauche) und Opera (den ich längst habe). Der einzige erstklassige Twitter-Client für das N97 im
altbackenen, unübersichtlichen Ovi-Store heißt Gravity und kostet stolze 9,99 Euro. Ich zahle für
ein nützliches Tool gern mal zehn Euro – doch angesichts der Fülle schicker Gratis-Clients auf
anderen Plattformen hebt man doch eine Augenbraue, schüttelt den Kopf und murmelt: "Frech!?

Ich will gar nicht maulen, dass der Download nach Bestellbestätigung prompt abbrach (das kommt
vor), nicht nochmals anzustoßen war (das sollte nicht vorkommen) und Gravity deshalb erst ein
Support-Ticket und zwei Tage später auf meinem Handy lief. Worum es mir eigentlich geht: Solch ein
popliges Benutzererlebnis ist ein Symptom – nämlich dafür, dass Nokia gerade dabei ist, den
Smartphone-Wettkampf zu verlieren. Denn Nokia ist im Herzen nach wie vor schlicht Telefonproduzent,
eine Hardware-Company – die Konkurrenz hingegen eine geniale Marketing-Maschine
(Fans-mit-iPhones-Beglücker Apple) und ein Unternehmen, das Software lebt, denkt und atmet
(Android-Anbieter Google).

Nokia hat es versäumt, Symbian zur Community-Plattform für smarte, leidenschaftliche
App-Entwickler auszubauen. Diese programmieren heute ja nach Geschmacksrichtung für das iPhone oder
auf Android. "Symbian? hingegen klingt so sehr nach aufregender weiter Welt wie "Saarland? oder –
der Ausgewogenheit halber – "Thüringen?.

Nun wollen die Provinz-Finnen der Konkurrenz mit dem N8 begegnen, einem neuen,
Social-Media-tauglichen Smartphone der N-Serie, dessen herausragendstes Merkmal ein – na, wer hätt?s
gedacht? – Hardware-Feature ist: eine Kamera mit stolzen 12 Megapixeln. Als ob die
Smartphone-Nutzer dauernd herumliefen und jammerten: "Oh ich armer Tropf, könnte ich doch nur
12-Megapixel-Bilder auf Facebook posten!?

Im Vorfeld des Launches versucht der Konzern, das N8 als "cool? erscheinen zu lassen, indem man
einen
Wettbewerb startete, dessen Gewinner mit Pamela Anderson –
ihr wisst schon, die aus dem TV, dieser absolut hippen, neumodischen Technik – in einem
Werbefilmchen mitspielen darf. Und schon wieder hebt man die Augenbraue, schüttelt den Kopf,
murmelt diesmal aber: "Wie verzweifelt muss man eigentlich sein, um zu solchen Marketing-Maßnahmen
zu greifen??

In diesem Sinne: Gute N8, Nokia! Ihr habt die Zeichen der Zeit nicht erkannt. So stabil und
ausgereift die Nokia-Hardware auch sein mag: Mein N97 ist, um einen ebenfalls in die Jahre
gekommenen Sony-Slogan zu variieren, "My Last Nokia?.

LANline/
Dr. Wilhelm
Greiner


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