Der Software-Defined Mainframe

Großrechner in Software

28. Oktober 2019, 7:00 Uhr | Von Dr. Jörg Schröper.

Mainframes gelten zwar bisweilen als Dinosaurier des RZ-Betriebs, spielen jedoch nach wie vor nicht nur im Umfeld von Legacy-Applikationen, sondern auch als moderne Cloud-Basis ihre unbestrittenen Vorteile aus. Eine recht neue Variante des Großrechners mit offenbar großem Potenzial ist heute als Sofware-Defined Mainframe (SDM) auf dem Markt. Im LANline-Gespräch nehmen Thilo Rockmann vom Hersteller LzLabs und Markus Tschamper von der Swisscom als Betreiber detailliert Stellung zu den Besonderheiten dieses neuen Konzepts.

LANline: Herr Rockmann, was genau ist ein Software-Defined Mainframe?

Rockmann: Der Software-Defined Mainframe ist ein spezialisierter Container, der es ermöglicht, Mainframe-Anwendungen auf Red Hat Linux basierend auf x86-Hardware entweder im eigenen Rechenzentrum oder in der Cloud zu betreiben. Dabei sind keine Quellcode-Änderungen nötig. Die Applikationen an sich müssen nicht neu kompiliert werden, und Änderungen an zugrunde liegenden Datenformaten sind ebenfalls nicht erforderlich.

LANline: Welche Workloads sind für die Migration geeignet?

Rockmann: Applikation der Anwender, die für einen z/OS-Mainframe gebaut wurden, lassen sich aktuell auf einen SDM migrieren.

LANline: Welches Know-how benötigt das Anwenderunternehmen für die Migration und später für den SDM-Betrieb?

Tschumper: Es sind keine neuen Kenntnisse erforderlich. Man profitiert in der Tat von den Ressourcen, die man bereits in der Welt der offenen Systeme hat. Unternehmen können jetzt dieselben Systemwerkzeuge und damit Kenntnisse verwenden, um die Anwendungen zu betreiben und zu warten, die zur Verwaltung von neuen Anwendungen verwendet werden. Die Erstellung der Testumgebung während des Projekts hat uns einen erheblichen zusätzlichen Nutzen geliefert.

Thilo Rockmann_Chairman und COO von LzLabs_online
Thilo Rockmann, Chairmann und COO von LzLabs: "Alle Applikation der Anwender, die für einen z/OS-Mainframe gebaut wurden, lassen sich auf einen SDM migrieren." Bild: LzLabs

LANline: Gibt es Großrechner-Varianten, die Mainframes-Betreiber nicht migrieren sollten?

Rockmann: Dies hängt ganz vom jeweiligen Geschäftsnutzen der Kunden ab. Derzeit unterstützt LzLabs die Migration von Mainframes der z-Serie auf den SDM. Grundsätzlich ist der von LzLabs gewählte Ansatz auch bei anderen Mainframe-Varianten denkbar, nur wurde dies bislang noch nicht vorangetrieben. Der neue Ansatz von LzLabs adressiert insbesondere die Herausforderung, mit denen unsere Kunden bislang konfrontiert waren, nämlich die Notwendigkeit, gesamte Anwendungen neu zu schreiben oder zu kompilieren. Beim SDM ist dies nicht notwendig. Nach einer Migration ist die Pflege der Applikation auf dem SDM mittels der zur Verfügung gestellten Compiler möglich, deren Ergebnis nahtlos mit den bestehenden Anwendungen und der Laufzeitumgebung des SDMs interoperiert. Auf diese Art und Weise reduziert man das Risiko einer Migration und öffnet sich für einen ganzen Reigen neuer Optionen, die Bestandsanwendung weiter zu modernisieren.

LANline: Wie viel Fachwissen ist dazu erforderlich?

Tschumper: Kenntnisse der jeweiligen Anwendungen sind wichtig – dies ist daher eine Gelegenheit für ein Mainframe-Team zu verstehen, wie sich über Jahrzehnte hinweg erstellte Legacy-Anwendungen in eine moderne Computerumgebung integrieren lassen. Entscheidend sind auch die Tests. Wenn Prüfkriterien schnell und frühzeitig definiert sind, hat das Projekt eine wesentlich größere Erfolgschance.

LANline: Gibt es spezielle Branchen oder Anwendungen, die gut geeignet sind, und solche, die nicht geeignet sind?

Rockmann: Typischerweise sind die Branchen, in denen Mainframes betrieben werden, Banken, Versicherungen, Regierungen, Telekommunikationsunternehmen, Handel, Fertigungsunternehmen, Automobilhersteller, Reiseveranstalter und Infrastrukturunternehmen. Der Software-Defined Mainframe macht da keinen Unterschied.

LANline: Wie viel Zeit sollten Unternehmen für ein Migrationsprojekt einplanen?

Rockmann: Die Migration zu SDM dauert je nach Umfang der Bestandsapplika­tionen sowie der notwendigen Integration anderer Systeme zwölf bis 24 Monate. Dazu gehört ein Qualifizierungs- und Bewertungszeitraum, in dem wir gemeinsam mit dem Kunden einen Business-Case erarbeiten, die Anwendung für die Migration analysieren und einen Implementierungsplan erstellen. Selbstverständlich unterstützen wir im Anschluss unsere Kunden bei der Implementierung mittels maßgeschneiderter Service-Angebote bis hin zum produktiven Betrieb der Anwendungen auf dem SDM.

Markus Tschumper_Head of General IT services bei der Swisscom_online
Markus Tschumper, Head of General IT Services Swisscom: "Entscheidend sind die Tests. Wenn Prüfkriterien schnell und frühzeitig definiert sind, hat das Projekt eine wesentlich größere Erfolgschance." Bild: Swisscom

LANline: Wie muss eine Netzwerkverbindung aussehen, um die geforderte Hochverfügbarkeit zu gewährleisten?

Tschumper: Grundsätzlich ändert sich an der Netzwerkanbindung nichts, da sich der Mainframe faktisch im gleichen Netzwerkbereich befindet wie der SDM. Tatsächlich gilt es sicherzustellen, dass sich die Anwendungen in der neuen Umgebung auf die gleiche Weise mit dem Netzwerk und dem umgebenden Betriebssystem verbinden. Das ist jedoch kein Hexenwerk.

LANline: Ein Argument für den Mainframe ist oft die hohe Verfügbarkeit. Wie können Sie dies auch als SDM-Variante sicherstellen?

Rockmann: Der Mainframe bietet sicher eine hohe Verfügbarkeit. Nur können sie sich vorstellen, dass zum Beispiel Google einmal nicht erreichbar ist? Dazu nutzt Google jedoch keine Mainframe-Technologie. Mit anderen Worten, hohe Verfügbarkeit bedarf keines Mainframes. Der SDM nutzt die zugrunde liegende operative Infrastruktur und moderne Hochverfügbarkeitslösungen. Auf dieser Basis erreicht der SDM eine vergleichbare Verfügbarkeit. Die Nutzung der Cloud bieten dem Betreiber dabei viele Möglichkeiten.

LANline: Herr Rockmann, Herr Tschumper, vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Jörg Schröper ist Chefredakteur der LANline.

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