Technologieverband: Mikroelektronik nicht aus der Hand geben

Chip-Herstellung: VDE warnt vor Abhängigkeit von Asien

24. Oktober 2017, 8:43 Uhr | Von Dr. Jörg Schröper.

Deutschland ist laut dem VDE seit Jahren Weltmarktführer in der Mikrosystemtechnik (MST), einer Technik für unzählige Investitions- und Konsumgüter, mit einem Umsatzvolumen im dreistelligen Milliardenbereich, jährlichen Wachstumsraten von bis zu zehn Prozent und knapp einer Million Arbeitsplätze bei über 15.000 MST-Unternehmen mit einem globalen Umsatzanteil von 21 Prozent. "Dies ist weltmeisterlich", konstatierte Dr. Gunther Kegel, Präsident des Technologieverbands VDE. Aber mit der Digitalisierung würden die Karten auf dem internationalen Parkett neu gemischt.

"Ohne wettbewerbsfähige Mikroelektronikindustrie werden wir abhängig und zum Importeur von Schlüsseltechnologien – fatal für eine Exportnation. Statt die Produktion aus der Hand in Richtung Asien zu geben, muss die gesamte Innovationskette vom Chipdesign bis zur Fertigung vor Ort sein, vor allem eigene Kryptochips, die Kriminellen den Zugang durch Backdoors von Beginn an verweigern“, warnte Kegel. Deutschland verpasse sonst die Chance, Weltmarktführer bei der digitalen Technik zu werden.

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„Ohne wettbewerbsfähige Mikroelektronikindustrie wird Deutschland abhängig und zum Importeur von Schlüsseltechnologien – fatal für eine Exportnation“, warnt VDE-Präsident Dr. Gunther Kegel. Quelle: VDE/Frank Rumpenhorst

Chips sind das Nervensystem der Digitalisierung. Im Internet of Things (IoT) gehen Mikrosysteme online und ermöglichen neue Anwendungen in Bereichen wie Medizin, Lifestyle, Autonomes Fahren, Industrie 4.0 oder Smart Energy. MST-Sensoren zählen dabei zu den wichtigsten Enablern des IoTs. Prognosen sagen einen Anstieg der weltweiten Nachfrage von einer Milliarde im Jahr 2007 und zehn Milliarden im Jahr 2014 auf 100 Billionen bis 2030 voraus. Ein enormes wirtschaftliches Potenzial für die Exportnation Deutschland, so der VDE. Dass die Bundesregierung bis 2020 eine Milliarde Euro bereitstellt, die zusätzliche Investitionen der Industrie von 2,3 Milliarden Euro stimulieren sollen, begrüßt der Technologieverband. "Aber während wir diese Schritte gehen, springen manche Wettbewerber aus Asien staatlich gedopt bis zur Halskrause in Siebenmeilenstiefeln voran", führt Kegel an. "Wenn wir in Deutschland unser heutiges Handeln nicht konsequent auf die Zukunft ausrichteten, fokussiert, unternehmerisch und schnell, riskierten wir schneller, als uns lieb sein wird, unsere Position als Industriestandort im weltweiten Wettbewerb."

Auf dem globalen Halbleitermarkt fällt Europa laut dem VDE erstmals unter die 10-Prozent-Marke. Selbst in seinen Vorzeigedomänen Automotive und Industrie ist die deutsche Wirtschaft unterdurchschnittlich gewachsen. "Bis 2021 werden Europa und Amerika weiter Anteile an Asien verlieren, wo sich jetzt schon mehr als zwei Drittel des Welthalbleitermarkts konzentrieren", erklärt Kegel. Der VDE appelliere daher an die neue Bundesregierung, die Stellschrauben neu zu justieren, das Tempo zu erhöhen und den Mikroelektronik-Standort Deutschland zu stärken.

"Wir brauchen schlichtweg eine umfassende Industrialisierungs- und Digitalisierungsstrategie mit der Mikroelektronik als Herzstück. High Tech und Innovationen müssen stärker gefördert, die IKT-Infrastruktur und 5G als Kommunikationsstandard ausgebaut werden. Und es muss dringend mehr Geld in die Ausbildung unserer Kinder gesteckt werden, von der Kita bis zum Studium", fordert Kegel. Allein in den nächsten zehn Jahren fehlen nach VDE-Prognosen mehr als 100.000 neue Ingenieurinnen und Ingenieure. Und diese fallen laut dem VDE nicht vom Himmel.

Der VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik) ist mit 36.000 Mitgliedern (davon 1.300 Unternehmen) und 1.600 Mitarbeitern einer der großen technisch-wissenschaftlichen Verbände Europas. Weitere Informationen gibt es unter www.vde.com.

Dr. Jörg Schröper ist Chefredakteur der LANline.

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