Kosten sparen mit Reliability-Centered Maintenance

Experte: Predictive Maintenance ist kein Allheilmittel

23. Mai 2018, 9:52 Uhr | Von Dr. Jörg Schröper.

Ein Produktionsstopp aufgrund eines Maschinenstillstands bedeutet für Betriebe nicht nur den Verlust wertvoller Zeit, sondern auch erhebliche Geldeinbußen. Nicht immer helfen jedoch ausschließlich vorhersagende Maßnahmen aus aufgezeichneten Zustandsdaten. Eine kostengünstige Alternative zur umfangreichen Datenerfassung soll die Absicherung der Produktion durch zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung (Reliability-Centered Maintenance, RCM) darstellen.

"RCM ist eine auf Risikoabschätzung basierende Strategie zur vorbeugenden Wartung technischer Systeme. Dabei werden die Auswirkungen von Fehlern auf die Funktionalität einer Anlage bereits im Vorfeld auf ihre Folgen für die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit abgeschätzt, um ein effektives und kostengünstiges Wartungskonzept zu erstellen", erklärt Georg Hünnemeyer, Systems Engineer und Geschäftsführer von Hünnemeyer Consulting. "Auf dieser Grundlage werden Maßnahmen zur Instandhaltung und Wartung definiert, um die Funktionstüchtigkeit des gesamten Systems sicherzustellen."

Vor der Einführung von RCM gilt es laut Hünnemeyer einige wichtige Fragen zu klären: Welche Störungen können auftreten und die Leistung einschränken? Welche Auswirkungen hätte ein kompletter Systemausfall? Die Ergebnisse aus dieser Vorabanalyse sine genauestens zu dokumentieren.

Bei der Untersuchung spielen die Faktoren Reliability (Zuverlässigkeit), Availability (Verfügbarkeit), Maintainability (Instandhaltbarkeit) und Safety (Sicherheit), kurz RAMS, eine wichtige Rolle. Das Design bestimmt die RAMS-Kriterien und sorgt so für den Erhalt der höchstmöglichen Verfügbarkeit einer Anlage.

Während des Entwicklungsprozesses findet laut Hünnemeyer eine fortlaufende Überprüfung der Faktoren zur Unterstützung bei der Fehlervermeidung statt. Einen zentralen Bestandteil für die zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung bilden die Aspekte Sicherheit, Umwelt und Kosten. "Die Methode ermöglicht es Betrieben, individuell eigene Schwerpunkte zu setzen und zu entscheiden, was das persönliche Ziel ihrer Fertigung sein soll: Kosteneinsparung, Umweltaspekte, Sicherheit, die Verfügbarkeit der Anlage oder aber der bestmögliche Kompromiss", so Hünnemeyer.

Betriebe können die Einführung einer entsprechenden Reliability-Centered-Maintenance-Strategie mit Hilfe der Zuverlässigkeits-Management-Norm DIN EN 60300-1:2014 vorbereiten. Ein großer Vorteil von RCM sei, dass das Verfahren auch bei bestehenden Anlagen zum Einsatz kommen kann - laut dem Anbieter ohne eine teure Nachrüstung von Sensoren, Soft- oder Hardware.

5 : 7 Querformat
"Es ist leider ein Irrglaube, dass Big Data, unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz, Instandhaltungskosten merklich reduziert", sagt Georg Hünnemeyer, Systems Engineer und Geschäftsführer von Hünnemeyer Consulting. Bild: Hünnemeyer Consulting

Reliability-Centered Maintenance funktioniere - im Gegensatz zu Predictive Maintenance - ohne eine groß angelegte Datenerfassung. "Die vorhersagende Instandhaltung erfordert nicht nur eine genaue Kenntnis der Systeme, es muss auch vorab eine Analyse zur Notwendigkeit der Datenerfassung stattfinden. Eine Vorgehensweise auf Grundlage der Big Data wäre ansonsten von vorneherein zum Scheitern verurteilt", betont der Systems Engineer. "Die kontinuierliche Erfassung und Aufzeichnung des Systemzustands beschreibt nur das Ergebnis des Designs und führt zu keiner Kostenminimierung, da die vorbeugende Wartung, also der Erhalt des gesunden Systemzustandes, nicht optimiert wurde."

Mit RCM lasse sich dagegen die Erfassung von Daten erheblich reduzieren, denn sowohl der Zeitpunkt als auch die Häufigkeit der Aufzeichnung sind individuell festlegbar. Zudem unterstütze Predictive Maintenance nicht bei zufällig auftretenden Fehlern. Eine Datenerfassung in der Phase der zufälligen Fehlerverteilung liefere keinerlei neue Aussagen über die bestehenden Systemeigenschaften.

Zur Aufzeichnung eingesetzte Sensoren sind außerdem sorgsam auszuwählen, da sie als zusätzliche Komponenten die Fehlerrate des Systems erhöhen. Was nicht verbaut wird, kann auch nicht ausfallen und bedarf keiner zusätzlichen Instandhaltung. Tritt ein Fehler auf, stellt sich zunächst die Frage, ob wirklich das System oder nur der Sensor einen Defekt hat.

Der Unternehmer hat im laufenden Betrieb keinen Einfluss mehr auf die durch die Entwicklung festgelegte Physik der Systeme: Es komme vor, dass über Jahre hinweg aufgezeichnete Werte gar nicht genutzt werden können. "Außerdem ist es in manchen Fällen sehr schwer, die gesammelten Daten richtig zu interpretieren. Für einen rechtzeitigen Eingriff ist es dann meistens zu spät und die Anlage fällt trotz Datenaufzeichnung aus", so Hünnemeyer.

"Jedes System verhält sich darüber hinaus in jeder Umgebung anders, Erfahrungen lassen sich also nicht universell übertragen. Allgemein fehlt es an Modellen, die mit Messwerten gefüttert werden und so Verschleiß- und Ausfallverhalten beschreiben", fährt er fort.

Höchstes Ziel eines Unternehmers sollten die Total Cost of Ownership sein, weil das Unternehmen seine auf dem Markt befindlichen Produkte entweder selbst wartet oder als Verkaufsargument nutzt. Auch die Betreiber der Anlagen sollten auf eine systematische Analyse der Instandhaltung bestehen und die Ergebnisse in die Gesamtkostenrechnung einbeziehen.

"Die Sammlung von Daten hilft dabei nicht, sondern verschleiert eher, dass in der Entwicklung nicht sorgfältig genug auf die Einhaltung einer hohen Verfügbarkeit bei kalkulierbaren Instandhaltungskosten geachtet wurde", so Hünnemeyer weiter. Für Reliability-Centered Maintenance sei dagegen nur die Risikoabschätzung grundlegend: Welche Folgen hat ein Fehler? Daraus lassen sich die Wartungskosten schließlich reduzieren.

"Bei der Predictive Maintenance macht es oft den Eindruck, dass mangelndes Design durch Datenaufzeichnungen und Wartungen kompensiert und auf diese Weise verbessert werden soll. Diese Variante stellt jedoch den teuersten Weg dar, der eingeschlagen werden kann", mahnt der Experte. "Oft profitieren in erster Linie die Softwarefirmen von diesen Big-Data-Lösungen und die kleinen und mittelständischen Unternehmen tragen die Kosten. Es ist leider ein Irrglaube, dass Big Data, unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz, Instandhaltungskosten merklich reduziert."

Weitere Informationen stehen unter www.huennemeyer.eu zur Verfügung.

Dr. Jörg Schröper ist Chefredakteur der LANline.

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Tibco

Weitere Artikel zu WALCHER GmbH & Co. KG

Weitere Artikel zu ESP GmbH

Weitere Artikel zu WELTRON ELEKTRONIK GmbH

Matchmaker+