IRT: Diskussion zu 5G auf Münchner Medientagen

Experten-Runde: 5G in Deutschland benötigt Geschäftsmodelle und Regulierung

26. Oktober 2018, 12:54 Uhr | Von Dr. Jörg Schröper.

Bei der Panel-Veranstaltung "5G - Rundfunk in offenen Netzen und mit offenen Endgeräten" diskutierten die Veranstalter Institut für Rundfunktechnik (IRT) und Bayerischer Rundfunk (BR) am Mittwochnachmittag mit einem Mobilfunknetzbetreiber, der Deutschen TV-Plattform e.V. und einem Sendernetzexperten des Südwestrundfunks (SWR) auf den Medientagen München über Rahmenbedingungen für eine zügige Einführung von Medienangeboten im zukünftigen Mobilfunkstandard 5G. Moderator Helwin Lesch, Leiter der Hauptabteilung Verbreitung und Controlling beim BR, informierte die rund 80 Besucher des Panels zunächst über das aktuelle Testfeld 5G Today, das die großflächige Übertragung von Rundfunkdiensten im 5G-Übertragungsstandard über den Sender Wendelstein des BR im bayerischen Oberland zum Ziel hat. Partner dieses Projekts sind neben dem BR auch das IRT, Kathrein, Rohde & Schwarz sowie der Netzprovider Telefónica. 5G Today habe soeben eine Testlizenz zur Ausstrahlung von 5G Broadcast-Diensten erhalten und will im kommenden Jahr erste Erfahrungen im praktischen Sendebetrieb sammeln.

Dr. Roland Beutler, zuständig für Strategien der Programmverbreitung beim SWR in Stuttgart, ging in seinem Vortrag unter anderem auf zentrale Anwendungsbereiche und Fragestellungen bei der weiteren Entwicklung von 5G-Mediendiensten in Deutschland ein. Die Mediennutzung in der mobilen Zukunft des automatisierten Fahrens ist seiner Ansicht nach einer der entscheidenden Anwendungsbereiche für Mediendienste in 5G, setzt jedoch flexible Netze mit Rückkanalfähigkeit, unterschiedlichen Übertragungsmodi (Unicast, Multicast, Broadcast) sowie einem intelligenten Routing zwischen verschiedenen Netzen voraus.

Daraus entstehen seiner Meinung nach konkrete Anforderungen an Standardisierung, Netzausbau und Regulierung. "Die 5G-Infrastruktur wird zukünftig von so zentraler gesellschaftlicher Bedeutung sein wie Strom und Wasser", so Beutler. Massive Investitionen in den Glasfaserausbau in Deutschland seien nur eine der logischen Konsequenzen. Es müssten darüber hinaus auch Grundfragen wie die Wahrung der Netzneutralität und die Refinanzierung der Kosten für den Netzausbau geregelt werden.

Versorgungslagen gefordert

Eine mögliche Regulierung der Bundesregierung könne darin bestehen, klare Versorgungsauflagen für den Standort Deutschland festzulegen und im Gegenzug den investierenden Partnern einen günstigen Zugang zum Frequenzspektrum zu ermöglichen. Für problematisch hält Beutler auch das zunehmende Bestreben der Endgerätehersteller, den Nutzer bereits am ersten Zugriffspunkt im Endgerät durch Apps und spezielle Menüführungen gezielt zu ausgewählten Programmangeboten zu leiten. Smart TVs, SIM-Karten der Netzbetreiber und aktuelle Endgerätetechnologien wie Amazons Alexa hätten inzwischen eine klare Gatekeeping-Funktion, die den Interessen der Rundfunkanbieter unter Umständen zuwiderlaufen könne.

Eine entsprechende Regulierung der Endgeräte sei dabei eine geeignete Möglichkeit, den Nutzern auch in Zukunft einen transparenten und direkten Zugang zu linearen und nichtlinearen Rundfunkinhalten zu ermöglichen. Beutler wies außerdem darauf hin, dass die Regeln der Frequenzzuweisung auf internationaler Ebene in der ITU historisch bedingt sind und hinter den aktuellen technischen Entwicklungen in der Telekommunikation zurückbleiben. Anstelle von Spektrum für ITU-Services wie Broadcasting, Mobile oder Fixed zuzuweisen, müsse darüber nachgedacht werden, ob es nicht besser sei, Spektrum für Anwendungen wie Rundfunkinhalte, Voice-Dienste oder Internetzugang zuzuweisen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion bremste Gerald Huber, 5G Senior Program Manager bei Telefónica, die vermeintliche Harmonie zwischen Rundfunkanbietern und Mobilfunknetzbetreibern. "Wir möchten zunächst untersuchen, wie die High-Tower-High-Power? Datenübertragungen in 5G richtig zu nutzen sind. Aus jetziger Sicht benötigt der Mobilfunk deutlich kleinzelligere Netze, um unser 5G-Angebot in der gewünschten Qualität unseren Kunden zur Verfügung zu stellen. Projekte wie 5G Today sollen uns deshalb dabei helfen, die Technologie besser zu verstehen", sagte Huber.

Widerstreitende Interessen bei der 5G-Infrastruktur skizzierte auch Holger Meinzer, Vorstandsmitglied der Deutschen TV Plattform e.V., die das Thema insbesondere aus der Perspektive der Medien- und Entertainmentbranche beleuchtet und den beteiligten Stakeholdern eine Austauschplattform bietet. "5G ist für den Rundfunk natürlich eine Riesenchance, lineare wie nicht-lineare Inhalte gleichermaßen in einer terrestrischen Verbreitungstechnologie auf alle Endgeräte zu bringen. Aber die Interessenslagen dabei sind divers. Während öffentlich-rechtliche Anbieter etwa an einem beschränkungsfreien Zugang ohne SIM-Karten interessiert sind, wollen private Anbieter beispielsweise alle Vorteile des Targeted Advertising an klar definierte Zielgruppen optimal ausnutzen", so Meinzer.

Tragfähige Geschäftsmodelle fehlen noch

Die Herausforderung sieht Meinzer dabei am wenigsten bei den Endgeräten, die schon bald und in vielfältiger Ausprägung verfügbar sein würden. Es mangele derzeit aber noch an tragfähigen Geschäftsmodellen. So reiche es beispielsweise eben nicht, nur ein zusätzliches Zeitbudget für Mediennutzung beim automatisierten Fahren zu erkennen. Es müssten auch klare Erlösmodelle für dieses Nutzungsszenario erarbeitet werden. Schließlich hätten die bisherigen Mobilfunkstandards 4G und 3G bereits Broadcastdienste technisch unterstützt, wurden aber Mangels funktionierender Modelle der Zusammenarbeit nicht eingeführt. Bei der weiteren zeitlichen Ausgestaltung der 5G-Einführung sei vor 2025 keine den heutigen Rundfunkinfrastrukturen vergleichbare Netzdimensionen zu erwarten.

Jüngst erworbenen DAB+ und DVB-T2-Geräte können also noch lange weiter genutzt werden und den Anbietern gebe das etwas Zeit für den überfälligen Dialog zu tragfähigen Geschäfts- und Erlösmodellen.

Einig waren sich die Panelteilnehmer bei der Forderung, die 5G-Einführung durch regulatorische Rahmenbedingungen zu unterstützen. "100-MBit-Datenübertragung für 98 Prozent der Deutschen ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Der Regulierer muss sich hier klar überlegen, was er möchte. Wenn er gleichzeitig meint, mit der Versteigerung der 5G-Frequenzen maximale Erlöse generieren zu können, wird es schon sehr eng für uns, denn ein derartiger Netzausbau kostet viel Geld und zahlt sich erst nach vielen Jahren aus", so Telefónica-Vertreter Huber.

Für den SWR-Experten Beutler liegt der Schlüssel für ein funktionierendes 5G-Netz in klaren Vereinbarungen über den Handover zwischen verschiedenen Netzen. So sei eine großflächige Versorgung mit Medieninhalten auf dem flachen Land sehr gut mit Rundfunknetzen möglich. In Ballungsräumen sei aber immer eine enge Zusammenarbeit mit den kleinen Mobilfunkzellen der Netzbetreiber vonnöten. Auch die Deutsche TV-Plattform hält eine enge Zusammenarbeit aller am 5G-Aufbau Beteiligten für absolut unverzichtbar. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk besitzt eine umfassende, gewachsene Sender-Infrastruktur, die er natürlich in Zukunft weiter kontrollieren und nutzen möchte. Nicht zuletzt hat er ja auch einen gesetzlichen Rundfunkauftrag. Das kann aber nur dann reibungslos funktionieren, wenn es eine enge Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern und eine klare Regulierung darüber gibt, wer wofür zuständig ist."

Mit Blick in die Zukunft waren sich alle Diskussions-Teilnehmer einig, dass in den kommenden zwölf bis 24 Monaten die Ergebnisse der verschiedenen 5G-Testfelder in Deutschland genutzt werden müssten, um eine belastbare technische Grundlage für einen konstruktiven Dialog aller beteiligten Partner zu ermöglichen, damit ein Szenario für einen optimalen, kommerziellen Roll-Out von 5G im Rundfunkbereich erarbeitet werden kann.

Weitere Informationen stehen unter www.irt.de zur Verfügung.

Dr. Jörg Schröper ist Chefredakteur der LANline.

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