Normkonforme Abnahmemessungen

Abnahmemessungen nach Klasse EA

3. August 2011, 6:00 Uhr | Thomas Hüsch/jos, Leiter Technik & Seminare bei Psiber Data

Einen Verkabelungsauftrag für eine strukturierte Verkabelung der Klasse EA zu erhalten und diesen Auftrag durchzuführen, ist heute bei guten Installationskabeln der Kategorie 7A (oder höher) und guter Anschlusstechnik der Kategorie 6A sowie entsprechend geschultem Personal kein Problem. Oft aber steht der Installateur am Ende vor der Aufgabe, nach der Installation auch die Abnahmemessung nach den ausgeschriebenen Standards durchzuführen - und dies ist nicht immer so ganz einfach.Strukturierte Verkabelungssysteme haben sich in den letzten 20 Jahren ständig weiterentwickelt. Die treibenden Faktoren für die Entwicklung neuerer"schnellerer" Verkabelungssysteme sind heute andere als vor zehn Jahren. Damals war es wie ein Rausch nach neuerer Technik und schnelleren Kommunikationslösungen. Die Frage der Kosten stand häufig erst an zweiter Stelle. Heute werden Verkabelungssysteme immer noch weiter entwickelt, aber nachdem die Industrie sich immer noch von den Folgen der letzten Rezession zu erholen versucht, werden die Entwicklungen heute getrieben von der Anforderung: mehr Bandbreite, aber bitte immer möglichst kostengünstig.

Die Bandbreiten wachsen immer noch exponentiell von 100 MBit/s über 1 GBit/s zu 10 GBit/s und zuletzt auf 40/100 GBit/s (Bild 1). Dabei haben sich teilweise die bevorzugten Medien etwas verändert. In hochflexiblen Büroumgebungen hat sich für Anwendungen, die keine extrem großen Bandbreiten benötigen, WLAN als interessantes Medium bereits Raum verschafft. Bis vor ein paar Jahren war in vielen Unternehmen 100 MBit/s über Klasse-D-Kupferverkabelungen die dominierende Netzwerkgeschwindigkeit. Heute sind viele der früheren 100-MBit/s-Netzwerke entweder drahtlos mit neuen schnellen WLANs nach IEEE802.11n (theoretisch bis zu 600 MBit/s) oder auf 1 GBit/s über Kupferkabel aufgerüstet. In Rechenzentren und bei Strecken mit hohem Bandbreitenbedarf sind meist die etwas teureren Glasfasernetzwerke im Einsatz. Diese profitieren von der Entwicklung in der Glasfasertechnik, und so machen OM3- und OM4-Glasfasern Geschwindigkeiten von 40 GBit/s und 100 GBit/s über Multimode-Glasfaserverbindungen möglich. In diesen Szenarien ist es dann schon interessant zu sehen, wohin sich die Kupferverkabelung kurz und mittelfristig entwickelt. Der Übertragungsstandard "IEEE 802.3ba - 40GBit/s and 100GBit/s Ethernet", der sich mit Übertragungsraten von 40 GBit/s und 100 GBit/s über Kupfer- und Glasfaserverkabelungen beschäftigt, wurde am 17.Juni 2010 ratifiziert.

Abnahmemessungen nach Klasse EA/Kategorie 6A

Mit den steigenden Anforderungen an die Kupferverkabelungen steigen auch die Anforderungen an die Messtechnik. Im einfachsten Fall kann man bei Verwendung von Steckverbindern und Kabeln der entsprechenden Kategorie und bei fachgerechter Installation ein Netzwerk errichten, das der geforderten Klasse entspricht (siehe Tabelle 1). Dabei kann man mit einem einfachen Verdrahtungstester zunächst die richtige Zuordnung der acht Adern eines Twisted-Pair-Kabels (paarweise verdrillt) zu den vorgegebenen Paaren und den entsprechenden Pins an den Anschlusskomponenten prüfen. Dadurch sind bereits rund 75 Prozent der auftretenden Fehler zu finden. Die Vertauschungen von einzelnen Adern oder ganzen Aderpaaren haben immer noch den größten Anteil an der Fehlerstatistik bei der strukturierten Verkabelung auf Kupferbasis.

Allerdings ist die Prüfung der Verdrahtung allein noch keine Garantie für eine korrekte Funktion der Übertragungsstrecke, so können zum Beispiel zu weit entdrillte Adernpaare oder beim Installieren verletzte Kabel später Probleme bei der Übertragung verursachen und damit eine Verkabelungsstrecke unbrauchbar machen.

Heute ist es allgemein üblich und auch meistens gefordert, Installationen nach Klasse EA zu errichten und diese dann auch nach dieser Klasse zu vermessen. Wichtige Anmerkung: Im Zusammenhang mit der Installation und Abnahmemessung sprechen auch Fachleute oft von Cat 6A. Dies gilt streng nur dann, wenn man nach amerikanischen Standards (etwa EIA/TIA 568 C - Cat 6A) installiert und misst, was allerdings hierzulande eher unüblich ist.

Abnahmemessungen

Bei Installationen in Europa/Deutschland gelten die Normen der Cenelec beziehungsweise der DKE, das heißt, hiesige Techniker installieren und messen üblicherweise nach der Cenelec EN 50173 oder nach der DIN EN 50173. Bei Bedarf kann man auch die international gültige ISO/IEC 11801 heranziehen, die alle Übertragungsstrecken in Klassen und nicht in Kategorien einteilt.

Um Abnahmemessungen nach den entsprechenden Standards durchführen zu können, muss der Installateur einen Kabeltester mit Autotest-Funktionen zur Verfügung haben. Diese so genannten Kabelzertifizierer sind in der Lage, auf Knopfdruckeinen einen Autotest mit den von den Standards geforderten Messungen für die gewählte Klasse und mit den von den Standards geforderten Genauigkeiten durchzuführen (Bild 2).

Das klingt allerdings einfacher, als es ist. Dazu muss man zunächst betrachten, um welche Frequenzbereiche es sich handelt. Bei den Klassen D bis FA gibt es die unterschiedlichsten Anforderungen in Bezug auf die Frequenzbereiche, die zu messen sind. So reichen diese Frequenzbereiche heute bei einer Klasse FA bis zu 1.000MHz (=1GHz), bei der Klasse EA immerhin bis 500 MHz, einer Frequenz, die die eines UKW-Radios um das Fünffache übertrifft. Hinzu kommen die geforderten Messparameter um die Eigenschaften der Verkabelungsstrecken zu prüfen.

Wie aber ist die zu prüfende Strecke definiert? Grundsätzlich ist dies bei einer Installation recht einfach: Alles, was der Installateur an Material installiert gehört dazu, also in der Regel die Kabel, und an einem Ende des Kabels das Verteilerfeld, auch Patch-Feld (PP) genannt, und auf dem anderen Ende des Kabels der Telekommunikationsauslass (TA); manchmal - in Deutschland allerdings sehr selten - der so genannte Konsolidierungspunkt (CP) (Bild 3). Dies ist dann auch die zu prüfende Strecke, die auch Permanent Link heißt. Seltener gibt es eine so genannte Channel-Installation, bei der die später im Einsatz befindlichen Patch- und Geräteanschlusskabel gleich vom Installateur mitgeliefert und mitinstalliert werden. Dieser Fall heißt Channel Link (Bild 3).

Abhängig davon, welcher Link zu messen ist, muss der Kabelzertifizierer auf den zu messenden Standard und die Link-Art eingestellt sein, also auf den Permanent Link oder den Channel Link. Dann muss der Techniker passende Messadapter an den Kabelzertifizierer anschließen, diese wiederum an den zu messenden Link.

Ein Autotest klingt zunächst einfach, aber der Kabelzertifizierer erledigt dabei eine ganze Reihe an Messaufgaben. Heutige Geräte testen nämlich:

Die Verdrahtung,

die Länge der Adernpaare,

Laufzeit und Laufzeitdifferenz und

den Gleichstromwiderstand der Adernpaare.

Hinzu komme noch die Hochfrequenzmessungen für:

Dämpfung,

Übersprechen (NEXT),

Übersprechen am fernen Ende (FEXT) und

Reflektion (Return Loss),

die alle im Frequenzbereich von 1 MHz bis zur oberen Frequenz der jeweiligen Verkabelungsklasse mit festgelegten Frequenzschritten und Genauigkeiten zu messen sind. Allein diese Messungen ergeben in der Summe 48 Messkurven mit jeweils bis zu etwa 1.600 Messpunkten, dies sind in Summe etwa 76.000 Messwerte.

Aus diesen gemessenen Werten errechnet das System zusätzlich noch weitere Werte:

ACR - aus der Dämpfungen der Adernpaare und dem Übersprechen (NEXT) berechnet sich das Dämpfungs-Übersprech-Verhältnis (ACR = Attenuation-Crosstalk-Ratio), und

ACR-F - aus der Dämpfung der Adernpaare und dem Übersprechen am fernen Ende (FEXT) wird das Dämpfungs-Übersprech-Verhältnis am fernen Ende (ACR-F = Attenuation-Crosstalk-Ratio-Far-End (früher ELFEXT) berechnet.

Hinz kommen naoch die berechneten Werte der Leistungssummen für jedes Adernpaar, bei dem die Summen der Störeffekte auf die jeweiligen Adernpaare zu berechnen sind:

PSNEXT - aus dem Übersprechen von Paar zu Paar (NEXT) berechnet das System die Leistungssumme des Übersprechens von drei Adernpaaren auf ein Adernpaar,

PSACR - aus den Dämpfungs-Übersprech-Verhältnissen (ACR) wird die Leistungssumme für jedes Adernpaar berechnet, und

PSACR-F - aus dem Dämpfungs-Übersprech-Verhältnis am fernen Ende (ACR-F) entsteht die Leistungssumme für jedes Adernpaar (früher PSELFEXT).

Als Ergebnis aller Messungen und Berechnungen erhält man eine komplexe Aussage über den gemessenen Link mit über 100.000 Hochfrequenzmesspunkten.

Die beeindruckende Leistung der heutigen Kabelzertifizierer ist die Geschwindigkeit, mit der diese Messungen ablaufen. Musste man zur Zeit der ersten Kabelzertifizierer für die Verkabelungsklasse D (1995) noch über fünf Minuten Messzeit bei wenigen Parametern in Kauf nehmen, misst man heute Verkabelungsstrecken nach Klasse EA in etwa neun Sekunden, und dies inklusive aller Berechnungen und deren Bewertung gegenüber den Grenzwerten. Als Ergebnis erhält man am Kabelzertifizierer eine Anzeige mit PASS oder FAIL (Bild 4).

Alle Autotest-Ergebnisse zeigen die Kabelzertifizierern mit ausgeklügelter Benutzerführung und Darstellung (zum Beispiel farbiger Touchscreen) an. Die Ergebnisse der Autotests lassen sich mit allen Messpunkten abspeichern und zu weiteren Analysen anzeigen. Zum Teil ist es möglich, Messwerte zur örtlichen Bestimmung von Fehlern an den Verkabelungsstrecken heranzuziehen. So kann der Techniker das Übersprechen und die Reflexionsdämpfung über der Länge der Verkabelungsstrecke anzeigen, um Fehler zu lokalisieren.

Mit der heute mit den Kabelzertifizierern, mitgelieferter PC-Auswertesoftware ist er dann auch in der Lage, die Autotest-Ergebnisse per USB-Kabelverbindung oder Memory Stick/Speicherkarte auf einen PC zu übertragen und dort speichern. Die Autotests lassen sich dann als Messprotokolle oder als Übersicht (etwa mit Längensummen) anzeigen und ausdrucken oder als PDF-Dateien abspeichern.

Fazit

Abnahmemessungen nach Klasse EA an Kupfer-Verkabelungsstrecken lassen sich mit zertifizierenden Kabeltestern der heutigen Generation relativ einfach durchführen.

Tabelle 1. Zuordnung von Kabel- und Steckverbinderkategorien zu Verkabelungsklassen.

Bild 4. Beispiele der Autotest-PASS- und -FAIL-Anzeige eines Kabelzertifizierers.

Bild 3. Permanent Link und Channel Link schematisch: CC = Cross Connect, PP = Patchfeld, CP = Konsolidierungspunkt, TA = Telekommunikations Auslass, WA = Arbeitsplatz.

Bild 2. Beispiel eines modernen Kabelzertifizierers, hier der Wirexpert von Psiber Data.

Bild 1. Anstieg der Netzwerkgeschwindigkeiten über die letzten 20 Jahre. Quelle: Vortrag Psiber Data bei der BICSI 2010
LANline.

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