Automatisierung und IT im gemeinsamen Netzwerk

Alle sind heute Ethernet zueinander

16. Dezember 2005, 0:15 Uhr | Andreas Huhmann/jos Andreas Huhmann leitet das Market Management in der Division Industrial Communication and Power Networks bei Harting in Espelkamp.

Auch im industriellen Einsatz gewinnt die Ethernet-Technik enorm an Bedeutung. Das Zusammenspiel mit der IT schafft ohne Zweifel Potenziale - etwa durch den gemeinsamen Standard - birgt jedoch besonders an den Berührungspunkten auch einige Risiken. Die Beachtung der einschlägigen Normen hilft bei der Problemvermeidung. Eine besondere Rolle fällt in diesem Szenario den eingesetzten Steckverbindungen für Kupferkabel und Lichtwellenleiter zu.

Die Vision eines universellen Netzwerks dominiert derzeit die Diskussion über die industrielle
Informationstechnik. In Zukunft wird durch Ethernet die Durchgängigkeit der Kommunikation vom
Office bis an die Maschine ohne künstliche Grenzen möglich. Weiterhin erscheint die Ablösung der
Feldbussysteme durch einheitliche Ethernet-Technik zu einer universellen Netzwerkarchitektur
realisierbar. Das Zusammenwachsen ist sowohl für die produzierende Industrie als auch für
Hersteller und Anbieter passender Lösungen verlockend. Konsequenterweise arbeitet daher zum
Beispiel Harting intensiv mit Produkten und Konzepten an der Zusammenfügung von Office IT und
industrieller Automatisierung zur so genannten Automation IT.

Diese Veränderung ist ein Paradigmenwechsel mit weit reichenden Konsequenzen. Verständlich ist
daher, dass der Anwender sowohl aus dem IT- als auch dem Automatisierungsumfeld relativ weit
reichende Unterstützung bei der Umsetzung braucht. Der Automation-IT-Paradigmenwechsel trifft
nämlich auf beiden Seiten auf erfolgreich eingesetzte Netzwerktechniken.

In der Automatisierung ist die Akzeptanz der Feldbusse hoch, denn die Leistung entspricht den
Automatisierungsanforderungen. Stand der Technik ist heute auch, dass industrielle Steuerungen über
Ethernet in vom Automatisierungsnetzwerk getrennte unternehmensweite IT-Netzwerke integriert sind.
Auch die IT-Infrastruktur hat eine sehr hohe Akzeptanz und auch eine entsprechende Relevanz. In der
Praxis bedeutet dies, dass nebeneinander aufgebaute Netzwerke existieren – mit der Konsequenz von
Kosten ohne zusätzlichen Nutzen.

Der Extremfall ist, dass zur Integration der Fertigung in IT-Strukturen ohne Systembruch zu
jedem Automatisierungsgerät das Automatisierungsnetzwerk und das IT-Netzwerk reichen – und dies
nur, weil die beiden Netze für unterschiedliche Applikationen entstanden sind und daher
vordergründig beide ihre Berechtigung haben.

Aus den Applikationen ergibt sich die Trennung in zwei autarke Netzwerke, die sich bis in die
Standardisierung widerspiegelt: Das IT-Netzwerk sorgt im Industriegebäude für die Steuerung,
Kontrolle und Wartung (vertikalen Integration) von Prozess- und Gerätedaten in unternehmensweiten
Netzwerken. Das Industriegebäude unterscheidet sich aufgrund der Umgebungsbedingungen von der
Büroumgebung. Eine Infrastruktur entsteht, die für die zukünftige Nutzung der Halle optimal
geeignet ist. Die flache Netztopologie ist mit dem Office vergleichbar und zumeist sternförmig.

Das Automatisierungsnetzwerk steht für die Vernetzung eines autarken Zellennetzwerks zum Zweck
der Automatisierung. Im Gegensatz zum Office- besteht ein Automatisierungsnetzwerk nicht aus
identischen Einheiten, sondern aus diversen Geräten, die sich entsprechend ihrer Applikation
verteilt innerhalb der Anlage befinden. Die Topologie muss sich der jeweiligen Applikation flexibel
anpassen und mehrere Hierarchiestufen bieten.

Diese Grundvoraussetzung ermöglicht eine Segmentierung der Automatisierung, die zu autark
arbeitenden Einzelzellen oder Modulen führt, die im Störungsfall unabhängig weiterarbeiten können.
Innerhalb einer Automatisierungszelle hat sich ein modularer Aufbau durchgesetzt. Einzelne
Funktionsbaugruppen sind zu komplexen Anlagen gruppiert. Auf diese Weise kommt es zu einer
schnellen und kostengünstigen Realisierung. Bei einer Erweiterung werden zusätzliche Module
ergänzt.

Aufgrund der ursprünglichen Unvereinbarkeit der Applikationen haben sich diese Themen auch in
der Standardisierung sehr getrennt voneinander entwickelt, wie in Bild 3 dargestellt.

Die internationale Norm für eine anwendungsneutrale, strukturierte IT-Verkabelung ist die IEC
11801. Ein Entwurf für die Industrieverkabelung wird kurzfristig unter der Bezeichnung ISO/IEC
24702 zur Verfügung stehen. Diese Norm ist weitgehend an das datentechnische Gerüst der IEC 11801
angelehnt. Daher verwundert es auch nicht, dass der Automatisierungsbereich in der
Netzwerklandschaft als Automation Islands bezeichnet wird (Bild 5). Alle als Aparatus bezeichneten
Module sowie das Automation Island sind an das generische Industriegebäudenetzwerk über ein TO
(Telecommunication Outlet) angebunden. Für dieses TO steht ein Steckverbinder zur Verfügung. Als
generische Lösung ist das die Variante 4 der IEC 61076-3-106.

Aktive Normung und Standardisierung

Eine internationale Standardisierung der Automatisierung wird in der IEC SC 65 festgehalten, dem
Expertengremium der Automatisierung. Diese Norm hat in industriellen Applikationen denselben
Stellenwert wie die ISO/IEC 24702. Auch dabei kennt man das Automation Island. Es ist allerdings
allgemeiner definiert und umschließt einzelne Automation Island Networks. Weiterhin ist die
Anbindung über ein TO nicht generell erforderlich. Verbindungen direkt zwischen Automation Islands
stehen ebenfalls zur Verfügung.

Beim Vergleich dieser Systemtopologien fällt auf, dass die IEC 24702 die generische Verkabelung
bis zum Aparatus oder bis zum Automation Island beschreibt. Die IEC 61918 thematisiert die
Verkabelung innerhalb und zwischen Automation Islands, definiert das Automation Island allerdings
anders als die IEC 24702. Auf diese Weise ist ein generisches Netzwerk ohne
Automatisierungsnetzwerk, aber auch ein Automatisierungsnetzwerk ohne generisches Netzwerk möglich.
Eine Konsequenz daraus muss folglich sein, dass für ein universelles Netzwerk für Automation und IT
beide Standards heranzuziehen sind.

In der IEC 61918 sind ebenfalls Steckverbinder für die Verkabelung im Automation Island
ausgewählt. Diese sind jedoch abhängig von dem eingesetzten Profil, also der konkreten
Protokollvariante. Profinet etwa basiert auf dem Standard-Ethernet und hat für
Automatisierungsapplikationen eine hohe Relevanz.

Als Steckverbinder bei Profinet dient auch im Schaltschrank der RJ-45. Anders als bei der
ISO/IEC 24702 wurde für Profinet der SCRJ als optischer Steckverbinder ausgewählt, denn er zeichnet
sich durch eine einfache Konfektion der einen Millimeter starken Kunststofffaser aus. Diese ist in
der Automatisierung für die optische Datenübertragung Standard. Bei der generischen Verkabelung
findet die Kunststofffaser eine geringe Anwendung, sodass dort der LC-Steckverbinder zum Einsatz
kommt, optimiert für den Einsatz mit Glasfasern. Daneben existieren jedoch viele Überschneidungen,
die zumeist wohlbegründet sind, in der Praxis allerdings zu Inkompatibilitäten führen. Der Anwender
sollte also möglichst Lösungen anstreben, die in beiden Normen Beachtung finden.

Die Leistungsfähigkeit des Ethernets in Kombination mit Mechanismen der Automatisierung führt zu
einer Fusion in einem Netzwerk. Dabei erhält das Ethernet zukünftig einen neuen Charakter, der sich
auch in geänderten Eigenschaften widerspiegeln wird. Erst wenn Anwender und Anbieter aus den
Industriebereichen ihre Kompetenzen in die stetige Weiterentwicklung von Ethernet-Vernetzung
einbringen und dadurch aktiv gestalten, entsteht jedoch Netzwerk, das dem Anwender den erwünschten
Nutzen bringt.

Fazit: Kommunikation wird durchgängig

Die Fusion von Automatisierung und IT-Netzwerken zu Automation IT ist die Antwort auf die
Anforderungen in produzierenden Unternehmen: Qualitäts- und Prozesssicherheit, Vernetzung von
Wertschöpfungsketten, weltweite Diagnose und vieles mehr. Durch eine komplette Infrastruktur ist
die durchgängige Kommunikation und damit ein durchgängiges Qualitätsmanagement möglich. Davon
profitieren schlussendlich sowohl die IT als auch die produzierende Seite.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+