Konvergente Netzwerkinfrastruktur

Audiovisuelle Evolution

30. Januar 2020, 7:00 Uhr | Nicolas Roussel

Konvergente Netzwerkinfrastrukturen und IP-Konvergenz bringen Eigentümern und Betreibern von intelligenten Gebäuden enorme Vorteile, denn ein einziges IP-Netzwerk kann bis zu acht oder neun verschiedene Systeme ersetzen. Dies zahlt sich für alle aus - unter anderem mit Einsparungen bei den Kapital- und Betriebskosten, mit Vorteilen für die Umwelt durch reduzierten Materialverbrauch sowie durch verbesserte Energieeffizienz und Nachhaltigkeit.

Es gibt noch weitere Argumente für konvergente Netze. Gleichzeitig versorgt etwa die Kupferverkabelung die an konvergente Netze angeschlossenen IP- und PoE-fähigen Endgeräte mit Strom, und zwar über eine Fernspeisung mit Niederspannung wie Power over Ethernet (PoE). Damit lassen sich die verschiedensten Gebäudeautomationssysteme wie Beleuchtung, Energie-Management, Sicherheit, Brandschutzsysteme, Heizung, Klimatisierung, Lüftung (HKL) und die dazugehörigen Endgeräte über eine einheitliche Verkabelungsinfrastruktur ansteuern und betreiben.

Zu diskutieren bleiben Videoanwendungen. Die Übertragung audiovisueller Anwendungen (AV) über die Twisted-Pair-Kupferverkabelung begann erst 2010 mit der Einführung des HDBase-T-Standards. Zuvor fand die Übertragung von Video - oder Video over IP - weitestgehend über klassische AV-Architekturen statt. Diese Architekturen nutzten AV-Sender, -Empfänger und Videomatrix-Switches für die Übertragung anstelle echter Ethernet-LAN-Switches, was bedeutet, dass diese Videoanwendungen bis dahin ein gesondertes Netzwerk benötigten.

Mit HDBase-T ist es nun möglich, 4K-Ultra-HD-Video und Audio zusammen mit 100 MBit/s Ethernet (100Base-T), USB, bidirektionalen Steuersignalen und 100 Watt Leistung (Power over HDBase-T, PoH) über ein einzelnes Twisted-Pair-Kupferkabel mit Standardanschluss (8P8C, RJ45) über Entfernungen bis 100 Meter zu übertragen. Interessant ist, dass HDBase-T zwar das gängigste AV-Protokoll über die Twisted-Pair-Verkabelung ist, es jedoch aufgrund der Verwendung eines anderen Paketierungsprotokolls noch immer nicht der eigentlichen Definition von IP-Konvergenz entspricht. Deshalb gilt HDBase-T nicht als echtes IP-System.

Mit SDVoE einen Schritt weiter

Erst mit der Einführung des Protokolls "Software-Defined Video over Ethernet" (SDVoE) im Jahr 2017 hat sich dies grundlegend geändert. Software-Defined Video over Ethernet unterstützt unkomprimiertes 4K-Video, -Audio, Steuerung und 1 GBit/s Ethernet (1000Base-T). Es ist eines der neueren AV-Protokolle, die AV-Signale über serienmäßig produzierte Standard-Ethernet-LAN-Switches übertragen.

Daher stellt es ein "echtes" IP-System dar. Im Vergleich zu HDBase-T soll SDVoE auch größere Einsparungen, mehr Flexibilität und eine höhere Skalierbarkeit bieten, indem es das gesamte Sieben-Schichten-OSI-Modell adressiert und die Vorteile in vollem Umfang ausschöpft.

Hinzu kommen nicht zu unterschätzende Vorteile in Bezug auf Kosten und Leistungsfähigkeit. Auf AV-Videomatrix-Switches, die in der Regel etwa 90 Prozent mehr pro Port kosten als ein Standard-Ethernet-Switch, können Installationen mit SDVoE verzichten.

Ethernet Ports sind bidirektional in ihrer Funktion und können als AV-Eingangs- und auch als AV-Ausgangs-Ports dienen. Zudem beansprucht ein Ethernet Switch im Vergleich zu einem Videomatrix-Switch im Allgemeinen nur etwa ein Viertel des Rack-Platzes und eignet sich auch für PoE, das eine Stromversorgung mit bis zu 90 Watt sichert.

Während HDBase-T über begrenzte Distanzen mit einer Kupferverkabelung der Klasse D, E oder EA laufen kann, erfordert SDVoE mindestens eine Verkabelung der Klasse EA. Voraussetzung für die Übertragung von SDVoE ist ein 10-GBit/s-Ethernet-Netzwerk (10GBase-T), sodass im Minimum Kabel der Kategorie 6A nötig sind. Darüber hinaus empfehlen Experten eine geschirmte anstelle einer ungeschirmten Verkabelung der Kategorie 6A/Klasse EA, da diese vor Fremdübersprechen (Alien Crosstalk) schützt.

Am besten eignen sich geschirmte Kabel der Kategorie 7A. Sie zeichnen sich im Vergleich zur Kategorie 6A durch 50 Prozent geringere Laufzeitunterschiede (Skew) aus und bieten zudem eine verbesserte Kontrolle über Laufzeitunterschiede, die Jitter- und Leistungsprobleme bei hochauflösenden Videosignalen verursachen können, insbesondere bei längeren Übertragungsstrecken.

Nicolas Roussel ist Technical Manager Central Europe bei Siemon, www.siemon.com.


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