Der kategorische (Kabel-)Imperativ

Auswahlkriterien für die Kabelkategorie

11. April 2016, 6:00 Uhr | Gerd Backhaus, unabhängiger Autor und Marketingdienstleister in Geilenkirchen./jos

Immanuel Kant formulierte den berühmten philosophischen Grundsatz: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Immer noch ein schöner Leitsatz, wenn auch leider nicht jeder danach lebt. Der kategorische Imperativ ist nach Kant keine inhaltliche Norm, sondern das einzige Handlungs- und Normenprüfkriterium. Was kann die Verkabelungsbranche daraus lernen?Der folgende Text geht zwar nur der Frage nach, welche Kupferverkabelung heute tatsächlich sinnvoll ist, aber auch dieses Thema hat in der öffentlichen Diskussion oft philosophischen Charakter. Manche Marketing-Statements gleichen bekanntlich beinahe religiösen Überzeugungen. Praktische Hilfe für den gequälten Anwender kann daher nur der Versuch bieten, die einzelnen Verkabelungsklassen so sachlich wie möglich zu bewerten, indem man sie den verschiedenen Anforderungen gegenüberstellt. Zunächst geht es lediglich um die Kupferverkabelung - LWL ist ein eigenes Thema und verdient es, in einem weiteren Artikel behandelt zu werden.   Kategorie 5/Klasse D Die Produkte der Kategorie 5/Klasse D unterstützen Gigabit Ethernet, ein populäres Protokoll, das auf den ersten Blick einer Vielzahl von Unternehmen noch auf Jahre ausreichen sollte. Kategorie-5-Produkte sind günstig und überall verfügbar. Zudem arbeiten die Experten aktuell sogar an neuen Ethernet-Protokollen, die Kategorie 5 unterstützt soll: 2,5GbE und 5GbE gehören derzeit zu den in der IEEE diskutiertem Themen. Aber Achtung: Vermutlich ist es nötig, aufgrund der auf die Anwendung zielenden höheren Anforderungen zusätzliche Parameter für die Verkabelung zu definieren, etwa zum Alien-XT. Um diesbezüglich auf der sicheren Seite zu liegen, sollten Nutzer besser auf geschirmte Kategorie-5-Produkte zurückgreifen. Grundsätzlich stellt die Kategorie 5 allerdings bereits heute einen Flaschenhals dar, da der aktuelle WLAN-Standard IEEE 802.3ac schon eine 10GbE-Anbindung fordert - und damit Kategorie 6A für die Verkabelung der Access Points voraussetzt. Für Neuverkabelungen empfehlen Experten daher Kategorie 5 nicht einmal mehr jungen Gamern für ihre LAN-Party.   Kategorie 6/Klasse E Kategorie 6/Klasse E ist im Prinzip nicht anders zu werten als Kategorie 5. Eine spezielle Anwendung für diese Gattung existiert nicht.   Kategorie 6A/Klasse EA Kategorie 6A/Klasse EA unterstützt 10GbE und ist damit schon interessant für RZ-Anwendungen. Aber auch im Office-Bereich gilt Kategorie 6A mittlerweile als Mindestanforderung, vor allem in Hinblick auf die neuen WLAN-Geräte nach der IEEE-802.3ac-Norm. Diese sind mittlerweile überall zu vernünftigen Preisen zu kaufen und benötigen eine 10G-Zuleitung. Am besten eine, die PoE+-tauglich ist, und damit eine separate Stromversorgung überflüssig macht. Die zum Beispiel in den deutschsprachigen Ländern gerne eingesetzte Kombination aus Kategorie-7/7A-Kabeln und Kategorie-6A-RJ45-Verbindern erfüllt diesbezüglich alle Anforderungen. Sicher funktionieren auch ungeschirmte Kategorie-6A-Produkte, Ex-perten empfehlen jedoch, dass Anwender sich vom Hersteller die 10GbE- und PoE+-Tauglichkeit schriftlich bestätigen lassen, etwa durch ein Zertifikat.   Kategorie 7/Klasse F Kategorie 7/Klasse F ist gewissermaßen der "große Bruder" der Kategorie 6, weil beide Normen ein vergleichbares Schicksal haben: Es gibt auch hier keine spezielle Anwendung für diese Norm. In der Spezifikation ist zwar Kategorie 7 deutlich anspruchsvoller als die Kategorie 6A, aber leider kann der Anwender damit in der Praxis nicht viel anfangen. Gegen die Verwendung eines Kategorie-7-Kabels in einem Klasse-EA-Link ist indes nichts einzuwenden. Die Marktpreise sind häufig niedriger als die spezieller Kategorie-6A-Typen - die Leistungsreserve kann der Anwender folglich getrost mitnehmen. Kategorie 7A/Klasse FA könnte sich beinahe ebenfalls zu den eher sinnfreien Verkabelungskategorien gesellen, wenn nicht derzeit eine Diskussion in der IEEE um 25 GBit/s entstanden wäre.   Kategorie 7A/Klasse FA Diesem Protokoll sagen manche Insider ein großes Potenzial voraus. Grundsätzlich gehen die meisten Betrachtungen bei der jetzigen Normendiskussion auch bei 25GbE von einer Kategorie-8-Verkabelung aus, dennoch sieht es so aus, als ob auch Kategorie 7A in der Lage sein könnte, den Übertragungsweg zu unterstützen. Ob dies tatsächlich so kommen wird oder nicht, ist zwar noch Spekulation, Kategorie 7A jedoch ist sicher eine überlegenswerte Option für eine zukunftssichere Büroverkabelung. Im Hinblick auf eine mögliche Migration zu 40GbE empfehlen Experten die Kategorie 7A derzeit für Rechenzentren nicht. Unabhängig davon gilt jedoch: Der PoE+-Standard befindet sich derzeit in Überarbeitung und bietet künftig noch mehr Leistung. Um dafür gewappnet zu sein, bringen AWG22-Kabel klare Vorteile - vor allem, um Erwärmung in Kabelbündeln zu vermeiden.   Kategorie 8/Klasse I, Klasse II Kategorie 8/Klasse I, Klasse II weist als jüngste Verkabelungsnorm einige Besonderheiten auf. Die Klasse II unterscheidet sich von der Klasse I dadurch, dass sie die weitaus strengeren Werte definiert. Die Klassen I und II sind jedoch beide gleichermaßen optimiert, um 25GBaseT- und 40GBaseT-Server-to-Switch-Verbindungen in Rechenzentren zu unterstützen. Inwiefern die höhere Leistung der Klasse II dem Anwender einen zusätzlichen Nutzen bringen wird, ist derzeit noch eine Glaubensfrage. Bei beiden Klassen beträgt die festgelegte maximale Reichweite 30 Meter, was sie für die Büroverkabelung weitgehend uninteressant macht. Im Rechenzentrum reichen 30 Meter jedoch oft aus und bieten deutlich mehr Flexibilität als eine Twinax-Verkabelung. LWL überbrückt indes noch weitere Strecken, dürfte jedoch bei den Aktivkomponenten weiterhin teurer bleiben. Ein weiterer Vorteil der Kategorie 8 ist die einfache Migrationsfähigkeit, da auch hier (Klasse I) das bekannte RJ45-Interface spezifiziert wurde und somit für Kompatibilität sorgt. "Wenn wir die Ziele wollen, wollen wir auch die Mittel", so Kant. Übertragen auf die IT ist es aber gar nicht so einfach, diese Ziele zu definieren. Neben der benötigten Übertragungsgeschwindigkeit stellen PoE+, die Reichweite, die avisierte Nutzungsdauer der Infrastruktur und auch das veranschlagte Budget wichtige Kriterien für die Entscheidung dar. Diese Kriterien sind bekanntlich abhängig von den Anforderung sehr verschieden. Kategorie 6A/Klasse EA stellt heute das Minimum dar und bietet für eine Vielzahl von Unternehmen im Bürobereich eine solide und langlebige Verkabelungsinfrastruktur. Dies gilt zum Teil auch für RZs. Wer in der Lage ist, mehr Geld auszugeben, kann auch auf ein Kategorie-7A/Klasse-FA-System zurückgreifen - ob die höhere Performance in Zukunft auch einen tatsächlichen Mehrwert für den Anwender bietet, bleibt indes noch abzuwarten. Zumindest die Kategorie-7A-Kabel bieten bei PoE+-Anwendungen einen Mehrwert aufgrund des höheren Leiterquerschnitts.

Was kann die Verkabelungsbranche aus Kants kategorischem Imperativ lernen? Praktische Hilfe für den gequälten Anwender kann nur der Versuch bieten, die einzelnen Verkabelungsklassen so sachlich wie möglich zu bewerten.

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