Physical-Layer-Chiplösungen für Gerätenetze

Autokratie

3. Oktober 2006, 22:00 Uhr | Jan Pofliet und Andreas Heldwein/jos Jan Pofliet ist Produktmanager ASSPs bei AMI Semiconductor in Belgien, Andreas Heldwein ist Marketing-Manager ASSPs bei AMI Semiconductor Nordamerika.

Datennetzwerke in der Industrie durchlaufen im Moment einen Wandel von der Analog- zur Digitaltechnik. Dabei lassen sich eine höhere Leistungsfähigkeit erzielen und gleichzeitig Entwicklungs- und Materialkosten einsparen. Obwohl in diesem Markt oft proprietäre Lösungen anzutreffen sind, bieten offene Standards eine kürzere Entwicklungsdauer, geringere Kosten und Interoperabilität.

In industriellen Applikationen finden sich eine Reihe von Netzwerkstandards, so zum Beispiel
feldbusbasierende Lösungen wie Profibus und der aufkommende Foundation-Feldbus. Auch
Netzwerklösungen, die zunächst von der Automobilindustrie adaptiert wurden, fanden Einzug in
industrielle Bereiche, etwa CAN (Controller Area Network) und LIN (Local Interconnect Network).

CAN für industrielle Applikationen

Das im Automobilbau bereits bewährte CAN gewinnt auch in industriellen Applikationen zur
Anbindung von Antrieben, Sensoren, Controllern und einer Reihe anderer Geräte für die
Maschinensteuerung und Automation an Beliebtheit. Das CAN-Protokoll ist nun als internationaler
Standard ISO 11898 ratifiziert und ermöglicht eine Kommunikation mit 1 MBit/s oder 500 KBit/s
Datenrate. Letztere wird von der Automotive-Industrie bevorzugt. CAN-Implementierungen in der
Industrie weisen allerdings erheblich längere Kabellängen auf als in Automotive-Applikationen.
Entwickler müssen daher zusätzliche Maßnahmen zum Schutz der Bauelemente gegen elektromagnetische
Störungen treffen.

Im Gegensatz zu anderen Bussystemen identifiziert CAN übertragene Nachrichten rein durch den
Inhalt anstatt durch die Knotenadresse der übertragenden oder empfangenden Einrichtung. Alle Knoten
eines Netzwerks empfangen und evaluieren Nachrichten nach ihrer Relevanz und Priorität und
reagieren je nach Bedarf auf diese Nachricht oder verwerfen sie. Nachrichten können für spezifische
Knoten oder je nach übermittelter Information für mehrere Knoten bestimmt sein. Diese
inhaltsorientierte Adressierung bietet eine hohe System- und Konfigurationsflexibilität, womit sich
CAN-Knoten schnell und einfach in bestehende Netzwerke integrieren lassen, ohne dass dabei
zusätzliche Hardware- und Softwaremodifizierungen erforderlich sind.

Die hohe Flexibilität, einfache Anwendung und Zuverlässigkeit von CAN – gekoppelt mit der
Kosteneffizienz der CAN-Lösungen und der Möglichkeit, den Verdrahtungsaufwand erheblich zu
reduzieren – macht CAN-Netzwerke, die sich von der Fertigungsautomatisierung bis hin zum
Gebäudemanagement erstrecken können, immer beliebter. AMIS geht davon aus, dass derzeit bis zu 20
Prozent der weltweiten CAN-Implementierungen außerhalb des Automotive-Bereichs anzutreffen
sind.

LIN und Feldbus

Das ursprüngliche Feldbuskonzept stellt einen Stromkreis mit 4 bis 20 mA Strom und Analogbus
dar. Dazu gehören eine standardisierte physikalische Schnittstelle, grundsätzlich busversorgte
Geräte und integrierte Sicherheitseinrichtungen für eine Vielzahl von Steuerungsapplikationen. Die
Nachfrage nach weiter reichenden Steuerungsmöglichkeiten und der Möglichkeit, noch mehr
Prozessdaten zu verarbeiten, führte zu hybriden Analog-Digital-Lösungen wie dem Hart-Feldbus, der
digitale Informationen auf den analogen Schaltkreis überlagert. Der Foundation-Feldbus bietet nun
eine rein digitale, serielle Zweiwege-Feldbuskommunikation. Er behält dabei die Vorteile des
analogen Systems bei, erlaubt aber zudem, mehrere Variable eines Gerätesystems in das
Steuerungssystem einzuspeisen. Anwender profitieren dabei von genauen, hoch aufgelösten Daten, die
eine Feineinstellung von Prozessen ermöglichen und damit einen optimalen Produktionsdurchsatz mit
weniger Ausfallzeiten gewährleisten. Mit dem Foundation-Feldbus stehen dem Anwender auch mehr
Diagnosemöglichkeiten bei Prozessfehlern zur Verfügung – nicht optimale Bedingungen lassen sich
somit eher erkennen und Verbesserungen schneller bewerkstelligen.

LIN bietet die Möglichkeit, einzelne Sensoren und Aktuatoren (einschließlich Motoren) direkt
über ein Netzwerk zu steuern. LIN kam zuerst im Automobilbausektor zu Einsatz, um dort das Gewicht
und die Komplexität von Kabelbäumen zu verringern, die sich bei der Einführung von
Businfrastrukturen wie CAN herausbildeten. Eine CAN-Infrastruktur zu allen Sensoren und Aktuatoren
ist zu teuer. LIN ist dabei wirtschaftlicher und lässt sich über einen LIN-Master-Controller in
eine CAN-Umgebung einbinden. In modernen Fahrzeugen bildet sich somit eine Hierarchie von
Netzwerken heraus, und die gleiche Situation lässt auch außerhalb des Automotive-Sektors erkennen:
Netzwerkapplikationen in der Industrie, die die gleichen Protokolle nutzen.

Die LIN-Lösung ersetzt komplexe und teure Verdrahtungen durch einen dreiadrigen Bus (je eine
Ader für Datenkommunikation, Erde und Spannungsversorgung) und reduziert die elektromagnetische
Strahlung, die durch die Verdrahtung insgesamt entsteht. Der Grund: Die PWM-Steuerung (Pulse Width
Modulation = Pulsbreitenmodulation) ist nahe am oder auf dem Motor selbst platziert. LIN ist zudem
modular, daher skalierbar, einfach zu reparieren und mit der passenden Logik und Software auch
fehlertolerant.

PHY-ICs

Der Aufbau eines Netzwerks erfordert die Implementierung einer physikalischen Ebene (PHY). Dabei
müssen vor allem Maßnahmen zur elektromagnetischen Abschirmung, gegen kurzgeschlossene Busleitungen
sowie gegen eine blockierte Netzwerkkommunikation ergriffen werden. Meist müssen Entwickler dabei
ihre eigenen Vorkehrungen treffen. Aktuatoren wie etwa Motortreiber müssen zudem noch einzeln
implementiert sein, was zusätzlichen Design- und Entwicklungsaufwand erfordert. Früher waren solche
PHY-Implementierungen als diskrete Schaltkreise mit Standardbauteilen aufgebaut. Heute stehen dafür
neue Mixed-Signal-Halbleiterkonzepte zur Verfügung. Vor allem die
Hochspannungs-Mixed-Signal-Halbleitertechnik bringt nun ICs mit allen erforderlichen
Funktionsblöcken hervor, die eine komplette PHY enthalten, einschließlich Hochspannungstreiber für
Motoren und Aktuatoren, analoger Schnittstellen für Sensoren, integrierter digitaler
Datenverarbeitung sowie eines hohen Grades an Schutzeinrichtungen.

Das Beispiel des Schrittmotortreiber-ICs AMIS-30621 (Bild 1) zeigt, wie LIN-konforme
Sensor-/Aktuatornetzwerke von den verbesserten Integrationsmöglichkeiten durch die
Hochspannungs-Mixed-Signal-Technik profitieren. Der Baustein bietet LIN-Anbindung und enthält einen
Positions-Controller, Diagnoseschnittstellen-MOSFET-Treiber für die x- und y-Achse sowie
Schutzfunktionen. Er eignet sich somit für Mechatronik-Lösungen, die über die Ferne mit einem
LIN-Master verbunden sind. Der Chip empfängt Positionierbefehle über die Schnittstelle und steuert
danach die Motorspulen so lange an, bis die gewünschte Position erreicht ist. Der integrierte
Positions-Controller ist für unterschiedliche Motortypen, Positionsbereiche und Parameter wie
Geschwindigkeit, Beschleunigung, Drehzahlverminderung und Blockiererkennung konfigurierbar. Der
AMIS-30621 fungiert als Slave auf dem Bus; der Master kann dabei spezifische Statusinformationen
wie die aktuelle Position und Error Flags von jedem einzelnen Slave-Knoten abrufen.

Zu den weiteren Vorteilen zählt ein hoher Abstraktionsgrad des Befehlssatzes, womit sich die
Prozessorlast auf der Master-Seite verringert. Der modulare Aufbau der Hardware und Software
erlaubt das einfache Skalieren der Achsenanzahl. Der Mikroschrittbetrieb erübrigt die Abwägung
zwischen minimaler Drehzahl, Geräuschvermeidung (Resonanz) und Verzicht auf Schrittbetrieb. Die
integrierte Blockiererkennung bietet eine genaue Positionskalibrierung während des Referenzlaufs
und ermöglicht einen halb geschlossenen Regelkreisbetrieb beim Erreichen der mechanischen
Endhaltestellen ohne externe Sensoren.

Die gleiche Mixed-Signal-Halbleitertechnik dient zur Fertigung von
Hochgeschwindigkeits-CAN-Transceivern (Bild 2). Diese Single-Chip-Lösung bietet differenzielle
Übertragung zum physikalischen CAN-Bus sowie differenziellen Empfang seitens des
CAN-Protokoll-Controllers. Gleichzeitig enthält der Baustein Schutzfunktionen gegen Spannungs- und
Stromspitzen, wie sie in industriellen Umgebungen häufig anzutreffen sind. Der hohe
Integrationsgrad bietet im Gegensatz zu herkömmlichen Standard-Controllern eine Reihe von
Vorteilen: So macht zum Beispiel der große Gleichtaktspannungsbereich der Empfängereingänge (± 35
V) den Baustein unempfindlich gegenüber elektromagnetischen Störungen. Die gut angepassten
Ausgangssignale gewährleisten eine geringe elektromagnetische Abstrahlung. Da eine
Gleichtaktdrossel nicht erforderlich ist, lassen sich das Layout vereinfachen und die Stückliste
und somit die Kosten verringern. Hinsichtlich elektrostatischer Entladungen bietet die
Hochspannungshalbleitertechnik Sicherheit bei Spannungsspitzen bis zu 4 kV.

Das Design des Transceivers garantiert, dass der CAN-Bus ungestört weiterarbeiten kann, sobald
ein unversorgtes Gerätesystem an das Busnetzwerk angeschlossen wird. Der integrierte
Überhitzungsschutz schaltet den Transmitter beim Überschreiten der Sperrschichttemperatur von 160
°C ab, während alle anderen Chipfunktionen weiter arbeiten. Die integrierte Strombegrenzung schützt
die Transmitter-Ausgangsstufe vor versehentlichen Kurzschlüssen bei positiver oder negativer
Versorgungsspannung. Zu den weiteren Schutzeinrichtungen zählen eine Transmit-Data-(TXD-)dominante
Time-out-Funktion, die verhindert, dass sich die Busleitungen in einem ständig angesteuerten
Zustand befinden – ein Problem, das die gesamte Netzwerkkommunikation blockieren könnte.

Hochspannungs-Mixed-Signal-Technik ermöglicht auch hochintegrierte Feldbus-PHY-Lösungen,
einschließlich Feldbus Media Access Units (MAUs) mit den Leistungsmerkmalen, die in Bild 3
dargestellt sind. Dieser Baustein stellt eine komplette PHY-Schnittstelle zwischen der
Netzwerkverdrahtung und der eigentlichen Einrichtung dar und erfüllt die Spezifikationen der
IEC-Physical-Layer-Standards, einschließlich Foundation-Feldbus-H1- und Profibus-PA-Protokoll.

Der Erfolg des Hochspannungs-Mixed-Signal-Designs bei der Realisierung von standardkonformen
PHYs bereitet nun den Weg zu einer höheren Integration, was eine weitere Schaltkreisverkleinerung
und somit Platzeinsparungen mit sich bringt. So lassen sich CAN-Transceiver und die
Steuerungsfunktionalität nun direkt in die Sensorschnittstelle, den Aktuator oder Motor
integrieren.

Weitere neue Funktionen lassen sich hinzufügen, die Leistungsfähigkeit lässt sich erhöhen – ohne
die bestehende Leiterplattenfläche zu vergrößern.


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