Grundlegende Auswahlkriterien für die LWL-Verkabelung

Datennetze mit Licht gestalten

13. Juni 2016, 6:00 Uhr | Gerd Backhaus, unabhängiger Autor und Marketingdienstleister in Geilenkirchen./jos

"Was kostet denn ein Meter Glasfaser?" Genau diese Frage stellte unsere Bundeskanzlerin im vergangenen Jahr auf der CeBIT dem Chef der deutschen Telekom, Tim Höttges. Dieser blieb ihr zunächst verblüfft die Antwort schuldig, reichte dann aber einen Tag später die gewünschte Info nach "Ich weiß es nun, es sind 70 Euro pro Meter." Ob dies eine vernünftige Investition ist, lässt sich allerdings nicht allein an dieser Zahl festmachen. Auswahlkriterien sind entscheidend.Die Aussage des Telekom-Managers trifft natürlich nicht auf jedes Glasfaserkabel zu. Schließlich gibt es nahezu unendlich viele Varianten mit entsprechenden Preisunterschieden und nicht nur das Breitbandkabel, das der CIO der Telekom bei seiner Antwort vor Augen hatte. In der folgenden Betrachtung soll daher auch nicht der Preis im Vordergrund stehen, sondern der Blick auf einige andere Kriterien der LWL-Gebäudeverkabelung - so, wie es auch schon der Aufmacherartikel im Schwerpunkt der LANline 4/2016 mit Blick auf die Kupferverkabelung versucht hat. In der strukturierten Gebäudeverkabelung spielt LWL vor allem dort eine Rolle, wo Kupfer an seine Grenzen stößt. Dies ist zum Beispiel bei der maximalen Übertragungslänge der Fall und selbstverständlich auch bei der Übertragungsgeschwindigkeit. Daher findet man Glasfasern primär im Backbone-Bereich von Büroverkabelungen und in Rechenzentren.   Einleuchtende Faserklassen Die Fasern sind aufgeteilt in Multimode- und Singlemode-Typen, wobei die Multimode-Typen in der Gebäudeverkabelung deutlich dominieren und ihrerseits in verschiedene Kategorien unterteilt sind, angefangen bei OM1 bis hin zu OM4. Wie man anhand der Grafik auf Seite 23 erkennen kann, gibt es Unterschiede bei der unterstützten Anwendung und bei der maximalen Reichweite. Betreiber setzen OM1-Fasern hierzulande kaum mehr ein, und auch die OM2-Faser verschwindet mehr und mehr aus den Katalogen der Hersteller. Auch diese Faserklassen hatten die Anbieter jedoch bei Einführung als "zukunftssicher" beworben, aber wie man heute sieht, gab es dennoch ein Verfallsdatum. Es lässt sich also durchaus trefflich spekulieren, wie viele Performancesprünge heutige OM3/OM4-Fasern noch mitmachen werden und wann eine OM5- oder gar OM6-Faser kommen wird. Dennoch gilt: Auch wenn sich die Technik bei der Glasfasertechnik einmal überholen sollte, kann der Anwender heutiger LWL-Kabel mit Standzeiten von zehn bis 15 Jahren rechnen.   Licht trennen und verbinden Eine Kupferverkabelung kann jedes IEEE-Ethernet-Protokoll mit dem RJ45-Steckverbinder übertragen. Bei den LWL-Steckern und -Kupplungen ist die Welt schon heute deutlich bunter. Zum einen gibt es etliche genormte LWL-Stecker, die für die Verbindung einzelner Faser ausgelegt sind, zum anderen auch noch sogenannte Multifaser-Steckverbinder, die gleichzeitig mehrere Fasern trennen und verbinden können. Zur ersten Gattung zählen zum Beispiel der LC, FC und der E2000. Zur zweiten gehören Multifasersteckverbinder wie etwa der MPO, der vor allem im Rechenzentrum zum Einsatz kommt, also dort, wo es besonders auf hohe Übertragungsraten ankommt. Für alle Steckverbindertypen gilt, dass sie hochpräzise sein müssen, um das Licht möglichst verlustfrei passieren zu lassen. Sie sind daher von Haus aus sehr empfindlich gegenüber mechanischen Einflüssen wie zum Beispiel Staub und Fett. Aus diesem Grund sind Sichtprüfungen mit einem speziellen LWL-Mikroskop mit einer bedarfsgerechten anschließenden Reinigung in jedem Fall obligatorisch.   Leuchtspuren von 40G nach 100G Neben der herkömmlichen Verwendung im Backbone sind besonders die Highspeed-Protokolle, wie sie das RZ benötigt, eine Domäne der Glasfaser. Will ein Betreiber 100-GBit/s-Ethernet übertragen, dann stellt sich zunächst die Frage, ob er dies mit Singlemode oder Multimode bewerkstelligen will. Singlemode-Fasern haben den Vorteil, dass er mit ihnen schnelle Protokolle gepaart mit hohen Reichweiten erzielen kann. Und dies, obwohl weniger Fasern je Strecke nötig sind. Wenn ein Betreiber nur die Kosten für die Verkabelungelungsinfrastruktur betrachtet, dann ergeben sich ebenfalls Vorteile. Leider ändert sich dieses Bild meist, wenn er die erforderliche Aktivhardware hinzurechnet. Als Alternative bieten Industrie und Normierungsgremien Lösungen auf Basis von Multimode-Fasern. Allerdings ist bei einer solchen Variante das Signal auf viele Kanäle aufzuteilen. Im Fall von 100GBase-SR10 sind es zehn Kanäle zu je 10 GBit/s und somit 20 Fasern pro Strecke und Steckverbinder. Die Norm IEEE 802.3bm schafft nun aber Linderung: Der neue Standard benötigt nur noch acht statt bisher 20 Fasern zur Übertragung von 100 GBit/s - und stellt damit eine clevere Alternative dar. Der einzelne Kanal überträgt dann 25 GBit/s. Allein schon die Migration von 40G auf 100G erweist sich durch diesen Ansatz als enorm vereinfacht, da für beide Protokolle nunmehr die gleiche Anzahl an Fasern nötig ist. Da für die Übertragung von 40GbE acht Fasern nötig sind, war bislang ein Upgrade auf 100GbE ziemlich schwierig, da dazu bislang 20 Fasern zum Einsatz kommen mussten. Der große Vorteil der neuen IEEE 802.3bm besteht darin, dass die LWL-Infrastruktur für 40G auch gleichermaßen 100G unterstützt, ohne dass ein Betreiber oder Planer zusätzliche Faserreserven für die Migration berücksichtigen muss. Neben einer einfacheren Planung der LWL-Infrastruktur bringt die IEEE 802.3bm daher auch einen höheren Investitionsschutz mit sich. Einen kleinen Nachteil soll ein potenzieller Betreiber jedoch nicht übersehen: Durch die Verwendung weniger Lanes (Übertragungskanäle) musste die maximale Reichweite gegenüber der "alten" 100GBase-SR10 reduziert werden. Mit einer OM3-Faser sind nun maximal 70 Meter möglich (statt vorher 100 Meter) und mit OM4 100 Meter (statt 150 Meter). Wer größere Strecken zu überbrücken hat, kann natürlich auf Singlemode zurückgreifen (bis zu zwei Kilometer).   Wenn es eng wird In den Schaltschränken im Rechenzentrum herrscht häufig ein eklatanter Platzmangel - verbunden mit dem Zwang, noch mehr Patch-Möglichkeiten unterbringen zu müssen. Lösungen bietet die Industrie in Form von Patch-Panels mit hoher Packungsdichte. Solche High-Density-Lösungen ermöglichen zum Beispiel die Aufnahme von bis zu 144 LC-Kupplungen auf nur einer Höheneinheit. An dieser Stelle ist jedoch Vorsicht geboten: Die Angabe einer möglichst großen Anzahl von LWL-Verbindern in einer HE sagt allein noch nichts über die Praxistauglichkeit aus. 144 Anschlüsse bedeuten schließlich auch, dass sie mit 144 Fasern zu verbinden sind. Dann spielen Themen wie Zugentlastung, Faser-Management und Service-Freundlichkeit eine enorm wichtige Rolle. Daher sollte ein Betreiber oder Planer darauf achten, dass beispielsweise der rückwärtige Zugang zu den einzelnen Modulen im Panel leicht erreichbar ist, etwa durch einen praxistauglichen Klappmechanismus im hinteren Bereich. Ferner ist der Einsatz von platzsparenden Mikrobündel-Konstruktionen hilfreich, denn deren kompakte Konstruktion hilft dabei, im rückwärtigen Anschlussbereich die Übersicht zu bewahren. Last, but not least wäre noch die Verwendung sogenannter "biegeunemfindlicher" Patch-Kabel zu empfehlen, die enge Biegungen erlauben, wie sie bei solchen hohen Packungsdichten nahezu unumgänglich sind.   Fazit: Mit Licht gestalten Verkabelung mit Lichtwellenleiter - oder doch besser mit Kupferkabel? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Lichtwellenleiter haben allerdings viele Trümpfe auf ihrer Seite. Sie kämpfen zum Beispiel nicht mit elektromagnetischen Störeinflüssen oder Masseproblemen und können größere Übertragungsstrecken ermöglichen. Um allerdings aus der Vielzahl der angebotenen Möglichkeiten das Optimum herauszuholen, ist beim Planer oder Betreiber ein gewisses Know-how erforderlich. Gerüstet mit dem nötigen Fachwissen lässt sich dann allerdings die passende Infrastruktur bestens mit Licht gestalten - und zwar sowohl kosteneffizient als auch zukunftssicher.

Ein äußerst lesenswerter technischer Grundlagenartikel zum Thema Lichtwellenleiter findet sich auf Wikipedia.de. Quelle: Wikipedia

Von der Norm geforderte garantierte Reichweiten (in Meter) verschiedener Faserklassen bis zu 40 GBit/s.

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu SanDisk Corporate Headquarters

Weitere Artikel zu Brainloop AG

Weitere Artikel zu A.T. Kearney GmbH

Weitere Artikel zu Armbruster Engineering GmbH & Co. KG

Matchmaker+