Eskalationslösung für Breitbandnetze

Dem Netzausfall vorbeugen

3. August 2016, 9:28 Uhr | Von Hartmut Leske.

Derzeit kommen beim Breitband- und Strukturausbau in passiven optischen Netzen (PON) und Point-to-Point-Strukturen reine Lichtwellenleiterkabel zum Einsatz. Im Fall eines Stromausfalls kann jedoch nicht jeder Nutzer auf eine USV zurückgreifen. Ein hybrider Ausbau - mit Kupfer als zweites Übertragungsmedium - kann dabei jedoch als Eskalationsstufe dienen und damit dafür sorgen, dass Automatisierungsdienste weiterlaufen.

Im vergangenen Jahr hat Dätwyler für den Netzausbau ein Hybridkonzept entwickelt, das sich an den "Katalog von Sicherheitsanforderungen für das Betreiben von Telekommunikations- und Datenverarbeitungssystemen sowie für die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Paragraph 109 Telekommunikationsgesetz (TKG)" anlehnt. Diesen Katalog, der seit Mai 2013 in Kraft ist, hat die Bundesnetzagentur im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit erstellt. Die im Folgenden beschriebene Eskalationslösung in Breitbandnetzen hat das Breitbandbüro des Bundes (BBB) konzeptionell begleitet. Die Ansteuerung vieler Notstromaggregate, USVs oder Feuerwehr-Anzeigetableaus (FATs) geschieht heute per Fernsteuerung und Fernwartung, Notrufknöpfe, Einbruch-, Brand- und Zutrittswarnsysteme sowie Kamera-, Schließ- und Schrankenanlagen sind mit Leitstellen verbunden. Die Steuerung von Stromerzeugern, -speichern und -verbrauchern (Smart Grid) sowie E-Health-, Telefon- und Internetdiensten erfolgt über den Datenfernaustausch.

Nach dem derzeitigen Stand der Technik kommen im Breitband- und im Strukturausbau in passiven optischen Netzen (PON) wie auch in Point-to-Point-Strukturen allein Lichtwellenleiterkabel (LWL) zum Einsatz. Der Betrieb der Netze erfolgt über dezentrale aktive Technik. In den Gebäuden wandeln ONT-Boxen (Optical Network Termination, bei FTTH) oder MDUs (Multi-Dwelling Units, bei FTTB) die optischen Signale in elektrische um.

Endet der Glasfaserzugang im Straßenverteiler (FTTC), wandelt ein DSL-Zugangsmultiplexer (DSLAM) die Signale elektrisch um. Um die Signale auf die Strecken zu verteilen, einzukoppeln und zu verstärken, sind aktive Geräte notwendig, die mit mindestens 120 V Gleichstrom oder 230 V Wechselstrom arbeiten.

Über reine Glasfaserkabel ist diese Leistungsübertragung physikalisch nicht möglich. Bei einem Stromausfall sind Dienste mit den aktuellen Breitbandausbaukonzepten folglich nicht beständig zu gewährleisten.

Das Hybridkonzept

Ein hybrides Ausbaukonzept - mit Kupfer als zweites Übertragungsmedium - bietet gegenüber dem "klassischen" Konzept mehrere Vorteile: Erstens lassen sich damit auch Automatisierungsdienste problemlos integrieren. Zweitens dienen die Kupferleiter als Eskalationsstufe im Fall eines Stromausfalls.

Voraussetzung dafür, hybride Verkabelungslösungen in die bestehenden Netzwerk-Infrastrukturen zu integrieren, sind Produkte, die vergleichbar und voll kompatibel sind mit den Produkten, die bisher in Standard- und Mikro-Leerohrsystemen, in Verteilern (KVz) und in den Technikzentralen in POPs und Rechenzentren zum Einsatz kommen.

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Bild 1. Verschiedene Hybridkabeltypen: "CU 7080 4P + 2 G.657A" (oben), das "FO Outdoor wbKT Micro Combi/A/I-DQS(ZN)BH" (Mitte) und ein Universalkabel mit zwölf G.652.D-Fasern und drei Kupferlitzen à 2,5 mm² (unten).

Erforderlich dazu sind LWL-Standard-, Mini-, Mikro- und Hausanschlusskabel, die zusätzlich über Kupferpaare, Kupfer-Quads oder energieübertragende Anteile verfügen. Die Anschluss- und Verteilertechnik muss an diese hybriden Produkte angepasst sein. Dies betrifft die Verteilerfelder, die Hausübergabepunkte (BEPs/HÜPs) und die Muffen. In Letztere muss zum Beispiel eine Kupfer-Verbindungsleiste einfügt sein, was laut den einschlägigen Herstellern allerdings kein großes Problem darstellt.

Installation in Gebäuden

Im Regelfall ist in einem Gebäude eine Altinstallation der ehemaligen Deutschen Post oder eines privaten Eigentümers vorhanden, auf die bereits Dienste zum Datenaustausch aufgeschaltet sind. Diese Installation kann aus Twisted-Pair-Kupferkabeln und/oder Koaxialkabeln bestehen. Bei Netzneubauten (FTTH/D/O) lassen sich alle Verbindungen vom Hausverteiler zu den Anwendern oder den Wohnungen nun mit Hybridkabeln ausführen (Bild 1). Diese Kabel lassen sich in der Elektroverteilung auf Hutschienenadaptern, im Wandverteiler oder auch in hybriden Datendosen abschließen (Bild 2). Telefone (als Notversorgung) wie auch Alarmtaster (E-Health) kann ein Nutzer direkt anschließen.

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Bild 2. Hybridkabel lassen sich unter anderem in hybriden Datendosen und auf Hutschienenadaptern abschließen.

Bei größeren Gebäuden wie Mehrfamilienhäusern, Schulen oder Gewerbeimmobilien ergibt es Sinn, die ankommenden und abgehenden Glasfasern wie auch die Kupferleiter im Hybridkabel auf ein DCS-System zu schalten. Dabei handelt es sich um ein modular aufgebautes 19-Zoll-Patch- und Feldsystem, das es ermöglicht, auf ein und derselben Schaltebene je nach Anschluss- und Abschlussart verschiedene Moduleinschübe in Kupfer- und Glasfasertechnik zu kombinieren (Bild 3). Mit einem solchen System lassen sich bei Notschaltungen auch häufig wechselnde Verbraucher einfach patchen - etwa Pförtner- oder Wachschutzleitungen.

Auch im Zuleitungsnetz sind alle Kabel dann als hybride Versionen ausgeführt. Für eine FTTB-Installation bis in eine Gewerbeimmobilie steht als Zuleitungskabel zum Beispiel ein Minikabel mit 6,4 Millimeter Außendurchmesser zur Verfügung, das aus 48 Glasfasern und zwei Kupferleitern á 0,5 mm² besteht (Bild 1 Mitte). Dieses ermöglicht es, sowohl Ferneinspeisungsimpulse wie auch Fernschaltungen über Kupfer zu steuern.

Der Kabelabschluss im Straßenverteiler erfolgt auf einem DCS-System, bei reiner Erdverlegetechnik auf einer Kupfer-Anschlussleiste in der Muffe. Der Kupferanteil im Hybridkabel bietet dann im Zuleitungsnetz auch den Vorteil, dass sich die Kabel durch das Einspeisen einer Frequenz auch nach der Verlegung leicht von der Erdoberfläche aus orten lassen.

Eine Integration des neuen, hybriden Kabelnetzes in ein älteres Bestandsnetz kann mithilfe einer Kabelbrücke in Kupfertechnik zwischen dem Altverteiler und dem DCS-System erfolgen. Dies ist in den Netzebenen 2 bis 4 möglich. Abgeschlossen auf den DCS-Modulen ist eine direkte Zuordnung erkennbar.

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Bild 3. DCS-Moduleinschübe in Kupfer- und Glasfasertechnik sind in alle herkömmlichen 19-Zoll-Schränke und -Verteilersysteme einzubauen.

Sollten keine USV-gestützten Geräte möglich sein, empfiehlt es sich, über einen zusätzlichen Versorgungsweg hybride Energiekabel als Zuleitungskabel oder Zweitzuleitung (Eskalation) zu installieren. Abgesetzte aktive Technik wie MDUs, Switches, DSLAMs und Router, aber auch Sirenen, Aufzugsnotruf sowie Zutrittskontrolllösungen lassen sich wiederum über den Kupferanteil im Kabel fernspeisen und ansteuern. Dafür stehen unterschiedliche Kabelaufbauten zur Verfügung.

Fazit

Hybridkabel mit Kupferanteil bieten beim Netzausbau ein zweites Übertragungsmedium als Eskalationsstufe bei einer Stromunterbrechung. Die Kupferleiter dienen der Ferneinspeisung oder Fernsteuerung der Verbraucher. Bei der Verwendung von Hybridkabeln und von entsprechenden Komponenten ist keine zusätzliche Infrastruktur (Kabelzuleitungswege) nötig, also auch kein zweites Kabelnetz. Die Ausbau- und Installationskosten sind nahezu vergleichbar. Dätwyler hat die dargestellten Produkte konform zu den Normen des VDE und der IEC entwickelt. Das Breitbandbüro des Bundes prüft gegenwärtig Optionen zur Evaluation der beschriebenen Eskalationslösung sowie die Begleitung erster Pilotgebiete bei der Umsetzung.

Hartmut Leske ist Branchen-Manager FTTx bei Dätwyler Cables in Hattersheim ().

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