Kupferverkabelung der nächsten Generation

Der Sprung über 40 GBit/s

4. Februar 2014, 7:00 Uhr | Christian Krug ist technischer Consultant bei Danes Datennetzwerktechnik, www.danes.de, www.rz4you.com. Yvan Engels ist im Strategic Market Development/Standardisation bei Leoni Kerpen tätig, www.leoni-infrastructure-datacom.com./jos

Die Kupfertechnik hat ihre Entwicklungsmöglichkeiten noch nicht ausgereizt: Die kommenden Komponentenkategorien 8, 8.1 und 8.2, an denen derzeit die Normierungsgremien arbeiten, bilden die Basis für 40GBase-T und damit für eine schnelle und gleichzeitig wirtschaftliche Server-Anbindung im Rechenzentrum. Diese Entwicklungen beeinflussen die Planung einer zukunftssicheren Verkabelung erheblich.Die Datenübertragungsraten im Rechenzentrum steigen rasant: Während im Backbone- und Core-Bereich heute bereits 40-GBit/s- und 100-GBit/s-Lösungen in Glasfasertechnik gefragt sind, sind nun auch in Server-Nähe immer höhere Geschwindigkeiten nötig. Etwa alle 24 Monate verdoppeln sich dort derzeit die erforderlichen Übertragungsraten. Experten rechnen daher ab dem Jahr 2015 mit einem schnell steigenden Bedarf an 40-GBit/s-Technik bei der Server-Anbindung - und dies in einer wirtschaftlichen Version, also auf Basis von Kupfer. Einige Marktforschungsunternehmen gehen bereits davon aus, dass schon im Jahr 2020 Server-Switch-Verbindungen mit 10 GBit/s weitgehend abgelöst sein werden. Neben den schnell wachsenden Geschwindigkeitsanforderungen auf Anwendungsseite gibt es dafür noch einen weiteren Grund: Aktuelle 10-GBit/s-Netzwerkkarten für Kupferverbindungen sind immer noch relativ teuer und alles andere alles energieeffizient, da sie auf ungeschirmter Technik basieren. Mit dem Techniksprung auf 40 GBit/s werden nur noch geschirmte Komponenten zum Einsatz kommen, sodass es einfacher wird, günstige und Strom sparende Produkte zu entwickeln. Die Erwartungen der Anwender der kommenden Verkabelungssysteme auf Basis symmetrischer Kupfertechnik sind vielfältig. In erster Linie sollte die nächste Generation in der Lage sein, die Defizite der bestehenden Lösungen gemäß IEEE 802.3ba zu beseitigen. Bisher stehen drei unterschiedliche Lösungen zu Verfügung, um 40 GBit/s im Rechenzentrum zu erreichen: achtpaarige Twinax-Kabel (CR4) mit einer maximalen Reichweite von sieben Metern, achtfasrige OM3/OM4-LWL-Kabel bis maximal 100/150 Meter Reichweite sowie zweifasrige Single-Mode-LWL-Kabel, die größere Strecken bis zu zehn Kilometern abdecken können. Alle drei Systeme sind relativ kostspielig und arbeiten daher derzeit nur in Umgebungen, in denen maximale Leistungsfähigkeit Vorrang vor der Wirtschaftlichkeit hat. Hinzu kommen weitere Nachteile: Die Twinax-Kabel lassen sich aufgrund der begrenzten Reichweite nur für Top-of-Rack-Szenarien nutzen, die achtfasrigen OM3/OM4-LWL-Kabel erschweren die Migration bei steigenden Leistungsanforderungen.   Aktueller Stand der Normierung Aufgrund dieser Defizite hat die IEEE vor eineinhalb Jahren beschlossen, den neuen Standard 40GBase-T auf den Weg zu bringen. Am 19.07.2012 rief die IEEE 802.3 eine Study Group ins Leben, die seitdem die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten von neuen Übertragungssystemen auf Basis von Twisted-Pair-Kupfer-Verkabelungssystemen evaluiert. Ziel der Initiative ist, Übertragungsraten von 40 GBit/s mit symmetrischer Kupferverkabelung zu normieren. Seit Anfang 2013 erarbeitet die Expertengruppe unter der Bezeichnung IEEE 802.3bq die Anforderungen für zwei unterschiedliche Übertragungsstrecken im Rechenzentrum: Zum einen werden Übertragungsstrecken von bis zu 30 Metern mit zwei Steckverbindern für End-of-Row- oder Middle-of-Row-Architekturen spezifiziert. Mit dieser Link-Länge lässt sich heute ein Großteil der benötigten Server-Verbindungen im Rechenzentrum abdecken. Zum anderen definiert die Arbeitsgruppe die Mindestanforderungen für Port-zu-Port-Verbindungen von fünf bis zehn Metern über Patch-Kabel. Damit ist auch der Top-of-Rack-Bereich abgedeckt. Die Arbeit an IEEE 802.3bq ist noch längst nicht abgeschlossen. Das nächste Treffen der weltweiten Study Group findet im März 2014 in Peking statt. Beobachter rechnen damit, dass Ende 2015 oder Anfang 2016 die Mindestspezifikationen für den neuen Ethernet-Standard endgültig feststehen. Parallel dazu entwickeln die nationalen und internationalen Normierungsgremien wie ANSI/TIA (USA) und ISO/IEC (international) Vorschläge, wie die künftigen Komponentenstandards für 40 GBit/s aussehen könnten. In diesem Kontext beauftragte etwa die ISO/IEC JTC1/SC25 WG3 ein Projektteam mit der Ausarbeitung eines technischen Reports zur Leistungsbewertung heutiger Verkabelungen und der Machbarkeit künftiger Verkabelungslösungen. Das Dokument mit dem Titel ISO/IEC 11801-99-1 "Guidance for Balanced Cabling in Support of at Least 40 GBit/s Data Transmission" wird voraussichtlich Mitte 2014 erscheinen und die Ergebnisse von zwei Arbeitspaketen enthalten.   Kategorie 8, 8.1 und 8.2 Das erste Arbeitspaket des ISO/IEC-Leitfadens betrachtet die installierte Basis und gibt Antworten auf die Frage, ob sich auch in vorhandenen Infrastrukturen Daten mit einer Geschwindigkeit von 40 GBit/s übertragen lassen. Eindeutiges Ergebnis: Nur mit Komponenten der Kategorie 7A (oder FA) und einer Bandbreite von mindestens 1.000 MHz besteht die Chance, 40 GBit/s zu erreichen. Mit einer Verkabelung auf Basis von Kategorie 6A und einer Bandbreite von 500 MHz sind hingegen 40 GBit/s selbst bei Reichweiten unter 30 Meter definitiv nicht mehr machbar - und dies auch bei größtmöglicher Kompensation der Störungen. Das zweite Arbeitspaket des technischen Reports schlägt Spezifikationen für zwei unterschiedliche Varianten von Kupferverkabelungssystemen der nächsten Generation vor. Die so genannte Channel Class I beruht auf optimierten Komponenten der Kategorie 6A mit einer extrapolierten Bandbreite bis 1,6 GHz. Channel Class II ist eine Weiterentwicklung von Komponenten der Kategorie 7A und nutzt ebenfalls eine extrapolierte Bandbreite bis 1,6 GHz. Beide Varianten sollen für Verbindungsstrecken von bis zu 30 Metern ausgelegt sein. Die neuen Komponentenkategorien für Kabel und Steckverbinder werden künftig 8.1 (Channel Class I) und 8.2 (Channel Class II) heißen. Insbesondere in puncto NEXT, PSNEXT, ACR-F und PSACR-F ist die Klasse II mit Kategorie 8.2 der Klasse I überlegen. Die Elektronik muss deutlich weniger kompensieren, daher lassen sich 40GBit-Transceiver mit dieser Technik kostengünstiger und energieeffizienter realisieren. Im Wettbewerb zu den Vorschlägen von ISO/IEC stehen die Vorschriftsentwürfe der US-Organisation ANSI/TIA. Das Dokument ANSI/TIA PN-568-C.2-1 sieht als zukünftigen Standard für Übertragungskanal, Installationsstrecke, Kabel und Steckverbinder eine Kategorie 8 mit 2 GHz vor. Technisch handelt es sich dabei aber eher um eine Kategorie 6B: Da es nach der TIA keine Spezifikationen für Kategorie 7 und Kategorie 7A gibt, ist Kategorie 8 lediglich rückwärtskompatibel bis Cat.6A.   Überlegungen zu künftigen Verkabelungsstrategien Was bedeuten diese neuen Entwicklungen nun für die Planung einer zukunftssicheren Verkabelung im Rechenzentrum? Der Einsatz von Kupfertechnik war traditionell immer um den Faktor 2 bis 3 günstiger als der Betrieb eines Ethernet-Ports in LWL-Technik. Im Bereich 10 GBit/s war dieser Abstand geschrumpft - mit dem nächsten Techniksprung sollte Kupfer jedoch wieder die deutlich wirtschaftlichere Variante sein. Auch beim Energieverbrauch dürfte sich 40GBase-T stärker an die niedrigeren Werte der Glasfasertechnik annähern, da der geplante Standard geschirmte Verkabelungslösungen voraussetzt und daher der Kompensationsbedarf zurückgeht. Rechenzentrumsplaner werden daher in Zukunft nicht an der neuen, schnellen Kupfertechnik vorbeikommen. Auch wenn der Normierungsprozess noch im Gange ist, sollten IT-Verantwortliche jetzt schon die Marktentwicklung genau im Auge behalten. Die gesamte Branche entwickelt derzeit Produkte für den zukünftigen Techniksprung - und 2014 werden zahlreiche neue Lösungen auf den Markt kommen, die für 40-GBit/s-Anwendungen vorbereitet sind. Anbieter, die bereits heute andere Steckverbindungen als RJ45 im Programm haben, sind dabei im Vorteil. Für sie wird es etwas einfacher, den geplanten Standard 8.2 durch die Optimierung von 7A-Komponenten zu erreichen als für Hersteller, die ausschließlich auf RJ45 setzen. RJ45 so anzupassen, dass die Verbindung für 40 GBit/s nach Kategorie 8.1 geeignet ist, und gleichzeitig volle Rückwärtskompatibilität zu Cat.6A sicherzustellen, ist in der Praxis relativ aufwändig. Denn die Aufrechterhaltung aller notwendigen Kompensationen für Cat.6A führt zu Dämpfungserhöhungen und anderen Nebeneffekten, die im höheren Frequenzbereich nicht gewünscht sind. Moderne Stecksysteme wie Tera und GG45 oder ARJ45 bringen dabei durch die Kammerabschirmung bessere Voraussetzungen mit.   Orientierung an Kategorie 8.2 Bei der Wahl einer zukunftssicheren Verkabelung empfiehlt es sich auf jeden Fall, sich an dem geplanten Standard 8.2 zu orientieren. Mit hochwertigen S/FTP-Kabeln mit einer ausreichenden Bandbreite haben Anwender künftig die Möglichkeit, entweder RJ45-Steckverbinder der geplanten Kategorie 8.1 anzuschließen oder aber Steckverbinder der geplanten Kategorie 8.2 (Tera, GG45, ARJ45). Die Kostenunterschiede gegenüber F/UTP-Kabeln, die ausschließlich mit RJ45-Steckverbindern der Kategorie 8.1 nutzbar sind, fallen dabei minimal aus. Aus Sicht des Investitionsschutzes ist zudem zu bedenken: Nur die Komponenten der Kategorie 8.2 sind rückwärtskompatibel zu Kat. 7 und Kat.7A und bieten darüber hinaus Reserven für weitere Steigerungen der Datenrate.   Modulare Konzepte sorgen für Zukunftssicherheit Nicht überall im Rechenzentrum sind allerdings in naher Zukunft allerhöchste Geschwindigkeiten nötig. Für einige Anwendungen - zum Beispiel Überwachungssysteme - werden auch weiterhin Verbindungen mit 1 GBit/s vollkommen ausreichend sein. Bei der Planung oder Weiterentwicklung der Verkabelung im Rechenzentrum lohnt es sich daher, nach modularen Lösungen Ausschau zu halten, die sich bei steigenden Anforderungen individuell und schrittweise ausbauen lassen. Verkabelungssysteme mit migrationsfähiger Anschlusstechnik ermöglichen es beispielsweise, die jeweils benötigten Buchsenmodule unkompliziert auszutauschen. Dies erlaubt sowohl eine wirtschaftliche Bereitstellung der heute benötigten Leistung als auch spätere Upgrades auf die zukünftig normierten Steckgesichter für 40GBase-T.   Qualität bleibt wichtiger Faktor Für eine zukunftssichere Verkabelung wird es schließlich noch wichtiger, auf die Implementierungs- und Verarbeitungsqualität zu achten. Die hohe Komplexität auf der physischen Ebene erfordert höchste Präzision bei der Installation, damit die möglichen Übertragungsgeschwindigkeiten auch tatsächlich erreicht werden. Für 40-GBit/s-Anwendungen müssen Dienstleister daher unter anderem mit aktuellsten Messgeräten ausgestattet sein, um auch Feldtests für große Bandbreiten bis 2.000 MHz exakt durchführen zu können.   Fazit 40GBase-T ist auf dem Weg. In den nächsten zwölf Monaten werden zahlreiche Produkte auf den Markt kommen, die auf die kommenden Standards vorbereitet sind. Bei aktuellen Rechenzentrumsprojekten sollten Planer daher schon jetzt nach zukunftsfähigen Lösungen Ausschau halten, mit denen sich künftig 40 GBit/s übertragen lassen. Sicher ist schon heute, dass dies nur mit geschirmten Verkabelungslösungen funktionieren wird. Die nächste Ethernet-Generation auf Kupferbasis dürfte um den Faktor 2 bis 3 wirtschaftlicher sein als LWL mit OM3/OM4-Fasern. Maximalen Investitionsschutz kann die von ISO/IEC vorgeschlagene Komponentenkategorie 8.2 bieten, die als einziger Standard rückwärtskompatibel zu Kategorie 7 und Kategorie 7A sein wird.

Mit hochwertigen S/FTP-Kabeln, die der geplanten Kategorie 8.2 entsprechen, können Anwender entweder RJ45-Steckverbinder der geplanten Kategorie 8.1 anschließen oder aber Steckverbinder der geplanten Kategorie 8.2 (Tera, GG45, ARJ45).

Vergleich der geplanten Standards von ISO/IEC und TIA bei einer Bandbreite von 1 GHz: Insbesondere in puncto NEXT, PSNEXT, ACR-F und PSACR-F ist die geplante Kategorie 8.2 den anderen Normierungsvorschlägen überlegen.

Die Kosten pro Port in Kupfer- und LWL-Technik im Vergleich: Experten rechnen damit, dass die nächste Ethernet-Generation auf Kupferbasis um den Faktor 2 bis 3 wirtschaftlicher sein wird als die entsprechende Glasfasertechnik. (Hinweis: Die Angaben für die Kosten sind Orientierungen und können abhängig vom Anbieter davon abweichen - die Angabe für 40 GBit/s über Kupfer beruht auf einer Prognose.)

Nicht nur im Core- und Backbone-Bereich, sondern auch in Server-Nähe steigen die benötigten Übertragungsgeschwindigkeiten rasant an: Bereits ab 2015 rechnen Experten dort mit einem schnell steigenden Bedarf an 40-GBit/s-Technik.

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