Tests von C-RAN-Umgebungen

Messtechnik für das Mobilfunknetz

14. Juni 2018, 7:00 Uhr | Jean Pierre Guillemet

Der weltweite Telekommunikationsmarkt sieht sich mit einer doppelten Herausforderung konfrontiert: mit dem explosionsartigen Wachstum im Bereich des mobilen Datenverkehrs und mit der Notwendigkeit der Senkung der Betriebskosten der Mobilfunknetze. Dies hat zum Entstehen neuer Netzwerkarchitekturen geführt. Dazu gehört die Nutzung von C-RAN, also Centralized Radio oder Cloud Radio Access Networks.

Die Funktionsweise der Centralized-Radio- oder Cloud-Radio-Netzwerke lässt sich am besten anhand der Entwicklung des Mobilfunknetzes und speziell an der Rolle der Basisstationen erklären. Ursprünglich bestand eine Basisstation aus einem im Inneren eines Gebäudes untergebrachten Geräteträgersystem, ausgestattet mit einem langen HF-Koaxialkabel, das die Technik mit der Antenne verbunden hat. Heute jedoch nutzen Basisstationen zunehmend räumlich abgesetzte Funkanlagen.

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Entwicklung des Mobilfunks. Bild: Anritsu

Das HF-Modul, im Fachjargon als Remote Radio Head (RRH) bekannt, ist in der Nähe der Antenne angeordnet. Die Verbindung zwischen dem RRH und der Basisstation ist durch einen Lichtwellenleiter realisiert, in dem das HF-Signal digitalisiert, moduliert und übertragen wird - mit den Vorteilen eines geringen Signalverlusts, eines geringen Gewichts, Robustheit, Montagefreundlichkeit und Störfestigkeit. Betreiber nutzen Lichtwellenleiter, weil Ausrüstungs- und Energiekosten sinken, größere Entfernungen zwischen der Basisstation und der Antenne möglich sind und sich die Montage relativ einfach gestaltet. Das C-RAN stellt im Zuge der Vorbereitung des Netzes auf die 5G-Umstellung einen neuen Schritt für das Mobilfunknetz dar. Es ermöglicht insbesondere Stabilität, senkt Ausrüstungskosten und Energieverbrauch, erhöht sowohl Qualität als auch Bandbreite sowie Netzabdeckung und vereinfacht die Montage.

Die Architektur von C-RAN

Der Übergang zu C-RAN hat innerhalb des Mobilfunknetzes zur Bildung zweier Bereiche geführt: dem Fronthaul-Bereich und dem Backhaul-Bereich (Bild auf Seite 32). Die Funktion des Fronthaul-Netzes besteht darin, Basisbandeinheiten zu befähigen, sich nahtlos mit räumlich abgesetzten Funkeinheiten zu verbinden, ohne dass die Funkleistung beeinträchtigt wird. Dieser Netzabschnitt enthält den Verbinder, der die Verbindung der Antennen zum RRH und zur Basisbandeinheit (BBU) herstellt. Die Funktion des Backhaul-Netzes wiederum besteht darin, die geografisch verstreuten Basisbandeinheiten (auch als "BBU-Hotel" bezeichnet) mit dem Metro-Netzwerk zu verbinden.

Im Fronthaul-Netzabschnitt kommen derzeit zwei Standards zum Einsatz: das Common Public Radio Interface (CPRI) und die Open Base Station Architecture Initiative (OBSAI). Diese Standards haben nicht den gleichen Ursprung, definieren jedoch zumindest die physische Schicht und die Verbindungsschicht. Sie stellen Protokolle für das Framing, Kodieren, die Steuerung und Synchronisation dar, während die Leitungsgeschwindigkeit für den ein- und ausgehenden Datenverkehr für eine Reihe von Datenübertragungsraten im Bereich von 600 MBit/s bis 10 GBit/s - und neuerdings bis zu 25 GBit/s - festgelegt ist.

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C-RAN-Architektur. Bild: Anritsu

Für die physische Sicht sind verschiedene Topologien möglich, etwa eine Stern-, Ketten-, Baum- und Ringtopologie. Zwar lässt sich als Medium prinzipiell auch eine Kupferverkabelung verwenden, die Betreiber setzen jedoch hauptsächlich auf optische Verbindungen mittels Lichtwellenleiter. Das Backhaul-Netz nutzt zum Verbinden von BBU-Hotel-Einheiten untereinander den Ethernet-Standard.

Bei den C-RAN-Fronthaul-Topologien gibt es drei Arten von Netzen: das passive, das aktive und das halb-passive Netz. Diese Netze nutzen die WDM-Technik (Wavelength Division Multiplexing), die sowohl die Anschlussmöglichkeiten erweitert als auch eine verbesserte Skalierbarkeit erreicht.

Die passive Netztechnik ist die einfachste Methode zum Aufbau eines Fronthaul-C-RANs und minimiert ebenso den Energieverbrauch. Die Verbindungskonfiguration lässt sich jedoch nicht so leicht ändern. Zudem ist keine Konfiguration mit mehreren Netzbetreibern möglich. Auch ist sie weniger skalierbar. Aktive Netze erfordern dagegen eine größere Anzahl an Ausrüstungsbestandteilen und weisen einen höheren Energieverbrauch auf. Sie bieten dafür allerdings eine höhere Skalierbarkeit, eine komfortablere Konnektivität und zusätzliche Funktionen wie beispielsweise OAM (Operation Administration Maintenance).

Tests des Fronthaul-Glasfasernetzes

Im Gegensatz zu Langstrecken-Netzwerken wie etwa Metro- oder Kernnetzen verläuft das Fronthaul-Netz über kurze Distanzen von unter 40 km und nutzt Singlemode-Fasern, wodurch optische Verluste von insgesamt weit unter 20 dB entstehen. Dies bedeutet, dass der für die Messgeräte erforderliche Dynamikbereich nicht sehr hoch ist. Die Verbindung zwischen BBU und RRH umfasst im Minimum bis zu sechs Verbinder und mehrere kurze Lichtwellenleiter. Die Testaufgaben bestehen dann darin, diese kurzen Verbindungen zu identifizieren und zu prüfen sowie zu gewährleisten, dass die Lichtwellenleiter und Verbinder in gutem Zustand sind, also keine Kratzer oder Verschmutzungen aufweisen, und dass sie an den richtigen Stellen angeschlossen sind. Für diese Prüfarbeiten kommen in der Regel ein Mikroskop und ein Fasertester zum Einsatz.

Bei langen Lichtwellenleitern muss zur Charakterisierung der Fasern ein Optical Time Domain Reflectometer (OTDR) zum Einsatz kommen. Außerdem ist das OTDR in der Lage, einen Fehler zu lokalisieren, etwa einen Bruch im Lichtwellenleiter oder einen defekten Verbinder. Solche Geräte stehen gemeinsam mit einem optischen Leistungsmessgerät, einem Testgerät zum Ermitteln optischer Verluste (Optical Loss Test Set, OLTS) und einer Lichtquelle zum Aussenden sichtbaren Lichtes zur Unterstützung der Faseridentifikation heute auch integriert in nur einem Gehäuse zur Verfügung. Ein Produktbeispiel dafür ist der Tester MT1000A von Anritsu (Bild Seite 33).

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Spektrum (links) von HF-Daten und Spektrogramm (rechts) von HF-Daten. Bild: Anritsu

Die Spezifikation des Fronthaul-Netzes enthält Empfehlungen für die CPRI- und OBSAI-Verbindungen. Die geforderte Datenqualität entspricht einer Bitfehlerrate von unter 10-12. Die Übertragungswartezeit (RoundTrip Time, RTT) muss ohne Kabel weniger als 5 µs betragen und 150 µs für eine Entfernung von 30 km. Für die optisch-physische Schicht müssen Wellenlänge und Leistung den Spezifikationen der SFP-Schnittstelle genügen. Außerdem gilt die Empfehlung, während der Installation oder der Wartung eine Prüfung des SFP-Moduls durchzuführen. Handelt es sich bei der Konfiguration um ein aktives Netz, können zusätzlich einige spezielle Protokolle zu testen sein, etwa die automatische Schutzschaltung im Kontext des OTN-Standards.

Testen von CPRI- und OBSAI-Verbindungen

Der CPRI-Standard schließt ein spezielles Protokoll ein, das als "L1Inband" bekannt ist. Es dient der Einrichtung einer Verbindung zwischen BBU und RRH. Tester wie der MT1000A sind in der Lage, dieses Protokoll zu emulieren, um zu prüfen, ob entweder die BBU oder der RRH in Betrieb sind. Zudem kann ein Techniker das Gerät während der Montage oder der Wartung an das Netz anschließen und den Analysator so konfigurieren, dass er mithilfe eines Optokopplers (TAP) oder durch Einstellen des sogenannten "Thru-Modes" Überwachungstests durchführt.

Die in die optische Verbindung eingespeisten digitalisierten HF-Daten sind gewissermaßen die Spiegelung des HF-Signals an der Antenne. Wenn sich HF-Daten aus der optischen Verbindung extrahieren lassen, kann die Signal- und Interferenzanalyse unter Verwendung der Digitaldaten so erfolgen, wie der Techniker sie sonst mit dem HF-Signal an der Antenne durchführen würde.

Die Tests des HF-Signals über CPRI oder OBSAI (RFoCPRI/OBSAI) sind in Uplink- und Downlink-Richtung möglich. Das zugehörige Signalspektrum lässt sich auf dem Tester visualisieren, ebenso die festgestellten Interferenzen oder Signalfehler.

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Der MT1000A von Anritsu enthält eine Reihe von Testwerkzeugen, unter anderem die Funktion zur Sichtprüfung von Lichtwellenleitern und Verbindern unter Verwendung einer Kamera/eines Mikroskops. Bild: Anritsu

Zur Analyse des digitalisierten HF-Signals können - in Abhängigkeit von der Anwendung - zwei Arten von Testern zum Einsatz kommen. Ein HF-Wartungstechniker wird wahrscheinlich einen Spektrumanalysator und einen HF-Kabeltester zum Messen der elektrischen Signale verwenden, wogegen ein Netzwerkinstallateur ein OTDR und einen Digitaltester verwendet, um die optische Verbindung und das Digitalsignal zu untersuchen. In beiden Fällen verfügen moderne Messgeräte über eine Option, die es ermöglicht, das Spektrum des digitalisierten optischen HF-Signals zu analysieren.

Tests am digitalisierten HF-Signal müssen erfolgen, während die Verbindung in Betrieb ist, was das Einfügen eines Optokopplers in die Glasfaserverbindung erfordert. Der TAP kann im BBU-Hotel platziert sein, um die Anzahl der Ortswechsel, die zum Testen mehrerer Standorte notwendig sind, zu minimieren. In Ketten- oder Ringkonfigurationen lassen sich auch mehrere RRHs gleichzeitig untersuchen.

Im Downlink ist es möglich, die ordnungsgemäße Funktion der BBUs, die CPRI-Pegel und die Konformität des Digitalsignals mit der RRH-Kapazität zu prüfen. Die RFoCPRI/OBSAI-Tests sind jedoch im Uplink besonders nützlich. Da ein Mobiltelefon eine sehr viel geringere Sendeleistung als ein RRH aufweist, hat die Interferenz den größten Einfluss auf das System im Uplink. Der Uplink ist zudem anfällig gegenüber Störeinflüssen, die von der passiven Intermodulation (PIM) herrühren. Die Werte für die PIM-Erkennung und die Distance-to-PIM-Quelle lassen sich problemlos im Digitalbereich analysieren. Dazu werden die CPRI-IQ-Daten genutzt.

Der Weg in die Zukunft

In der Vergangenheit bestand für Netzbetreiber eine Abgrenzung zwischen mobilen Fronthaul- und Backhaul-Netzen. Installations- und Wartungslösungen waren ebenso zwischen Kunden leitungsgebundener und drahtloser Netze getrennt. In Verbindung mit dem Bemühen der Mobilfunknetzbetreiber, ihre Netze zu modifizieren, um sie an die Herausforderungen von 5G-Netzen anzupassen, werden allerdings die Grenzen zwischen leitungsgebundenen und drahtlosen Netzen verschwinden. Dies bedeutet wiederum, dass die Techniker, die in Installations- und Wartungsarbeiten der Netze involviert sind, in großem Umfang über Wissen und Fertigkeiten im Glasfaser-, Elektro- und Mobilfunkbereich verfügen müssen. Tester und Analysatoren müssen all diese Techniken unterstützen problemlos bedienbar sein.

Jean Pierre Guillemet ist bei Anritsu tätig, www.anritsu.com.


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