Abnahmemessungen am passiven LAN-Netzwerk

Professionelle LAN-Zertifizierung

6. Februar 2014, 7:00 Uhr | Alfred Huber/jos, Leiter Technik bei Psiber Data, www.psiberdata.de.

Die "Strukturierte Verkabelung" stellt das Rückgrat der modernen Datenkommunikation dar. Um einen möglichst problemlosen Betrieb eines Netzwerks garantieren zu können, ist bereits nach erfolgter Installation der passiven Strecken eine professionelle Abnahmemessung durchzuführen. Entscheidend: Sowohl die Techniker als auch das verwendete Messequipment müssen für diese Aufgabe geeignet sein.Bevor es daran geht, die erste Strecke zu messen, geschweige denn Fehler auf einer Strecke suchen, sollte sich der Techniker einige wesentliche Aspekte bewusst machen, um sicher ans Ziel zu kommen: Die Geräte, mit denen er diese Messungen an den Verkabelungsstrecken durchführt, heißen bei Insidern "Verkabelungszertifizierer". In diesem langen Wort stecken bereits zwei wichtige Informationen: Zum einen das "Zertifizieren", was eindeutig voraussetzt, dass diese Geräte tatsächlich richtige Messungen an den verlegten Datenstrecken durchführen, nicht nur einfache Übertragungstests, wie die so genannten Qualifizierer oder Validatoren. Diese ermitteln keine Messwerte, sondern tauschen nur Datenpakete zwischen den Endpunkten der Strecken aus und zählen dabei, ob und wie viele Bits oder Pakete auf dem Weg verloren gegangen sind, um daraus abzuleiten, ob eine Datenstrecke zur Übertragung eines bestimmten Protokolls (meist 1 Gigabit Ethernet) geeignet ist. Noch eine Ebene darunter findet man die so genannten Verifizierer, im Grunde nur einfache Verdrahtungstester, die die richtige Zuordnung der Leitungen überprüfen, und zwar ohne Aussage zur Übertragungseignung oder -eigenschaft. Verkabelungszertifizierer dagegen führen "richtige" Messungen vieler einzelner Parameter durch, zu denen sowohl einfache Gleichstromeigenschaften wie zum Beispiel der Schleifenwiderstand gehören als auch anspruchsvolle Hochfrequenzgrößen, wie die Einfügedämpfung eines Übertragungskanales oder das Übersprechen zwischen den Kanälen. Auch sind teils komplexe Parameter aus Einzelmessungen mathematisch abzubilden, etwa diverse ACR-Werte, die im Prinzip Signal-/Rauschabstände ausdrücken. Aus der Gesamtbetrachtung aller Parameter ergibt sich dann eine "dienstneutrale" Aussage über die Leistungsklasse der Anlage, die dann wiederum Rückschlüsse auf die möglichen zu übertragenden Anwendungen und Protokolle erlaubt. Dies belegt das Gerät und protokolliert es in standardisierter Form. Die zweite wichtige Information im Ausdruck "Verkabelungszertifizierer" ist die "Verkabelung". Dies besagt, dass derartige Messgeräte keine Einzelbewertung der Komponenten vornehmen, sondern die Datenstrecke als Gesamtheit bewerten, bestehend im Regelfall aus Datendose, Verteil-Panel und Datenkabel dazwischen. Diese Tatsache bleibt in der Praxis oft unberücksichtigt, denn viele Installateure sind immer noch im Glauben, dass zum Beispiel das Verlegekabel das einzig bestimmende Element ist. Der Klassiker an dieser Stelle: Der Installateur, der ein Kategorie-7-Datenkabel mit "günstigen" Kategorie-5-Dosen und -Panels abschließt und sich furchtbar beschwert, dass sein Messgerät "schon" bei Kategorie-6-Messung ein "Fail" anzeigt, obwohl er doch weit unter der Eignung des Datenkabels misst. Heutzutage sind alle Komponenten einer Datenstrecke gleich wichtig für die Performance des Links. Auch dabei gilt der alte Spruch, dass "das schwächste Glied die Leistungsfähigkeit der ganzen Kette bestimmt". Das Bild links zeigt als Beispiel eines Messgeräts den Wirexpert 4500, nach Aussagen des Herstellers das erste Messgerät, das bereits heute schon den zukünftigen Frequenzbereich von Kategorie 8, nämlich 2.000 MHz abdeckt. Ein wichtiges Element dieser Leistungskette bei der Installation ist natürlich auch das Personal, das die Abnahmemessungen durchführt. Die derzeit auf dem Marktverwendeten Verkabelungszertifizierer schaffen den Spagat, komplexe Hochfrequenz-Vierpolmessungen, die in Labors mit sehr teuren und aufwändigen vektoriellen Netzwerkanalysatoren durchgeführt werden, in einem tragbaren Handgerät unterzubringen, baustellentauglich zu verpacken und dazu das Ganze noch mit einer Bedienoberfläche zu versehen, die auch ohne Hochschulstudium zum gewünschten Abnahmeprotokoll führt. Allerdings verlockt die einfache Bedienung oft dazu, nichtkundige Personen mit derartigen Messgeräten auf die Baustelle zu schicken, in der Hoffnung, dass es schon klappen werde. Dies geht aber meist schief. Oft scheitert die Messung schon beim Einstellen des richtigen Standards. So einfach die Geräte in ihrer Bedienung auch sind, man sollte dennoch über ein gewisses Hintergrundwissen über die einzustellenden Leistungsklassen und Ausdrücke wie etwa "NVP-Wert", "Permanent Link" oder "Channel Link" verfügen, und die gängigen Bezeichnungen der Testparameter sollten auch bekannt sein. Die Hersteller der Messgeräte und auch unabhängige Schulungshäuser bieten ständig Schulungen an, die dieses Wissen vermitteln. Ein Wissender wird auch in der Lage sein, das geeignete Messgerät auszuwählen, um seine Verkabelung richtig zu zertifizieren. Auch dabei gibt es einige Regeln, die wichtig sind, um eine belastungsfähige Aussage zu erhalten. Wenn jemand etwa Klasse-FA-Messungen durchführt, muss er zum einen ein Gerät verwenden, das auch den gesamten Frequenzbereich von 1 MHz bis 1.000 MHz abdeckt und nicht nur einen verkürzten Bereich bietet. Zum anderen muss das Gerät über die richtige Genauigkeit für diesen Einsatzbereich verfügen. Dies ist bei den Verkabelungszertifizierern als "Level"-Genauigkeit (Tabelle 1) ausgedrückt. Bei den erwähnten Klasse-FA-Messungen ist "Level V"-Genauigkeit notwendig. Verwendet man ein Gerät, das nicht ausreichend genau ist, ähnelt dies dem Versuch, Millimeterpapier mit einem Zollstock nachzumessen. Die Ergebnisse sind viel zu ungenau, um die tatsächlichen Parameter darzustellen. Der Techniker sollte also stets darauf achten, dass nur mit Geräten mit bestätigter und passender Messgenauigkeit arbeitet, denn im schlimmsten Fall kann es sonst zu großen Problemen beim späteren Betrieb der Anlage führen. Die namhaften Hersteller der Messgeräte garantieren die Einhaltung der Level-Genauigkeiten, indem sie ihre Geräte neutralen Labors geben, die die Einhaltung der geforderten Genauigkeiten überprüfen und ihrerseits dokumentieren. Dies geschieht üblicherweise nicht nur einmal im Produktzyklus, sondern mit regelmäßigen Wiederholungsprüfungen an Produktionsgeräten - gewissermaßen als externe Qualitätssicherung. Der kundige Anwender von Messtechnik weiß jedoch auch, dass Genauigkeit vergänglich ist und immer wieder neu verifiziert werden muss. In der Praxis bedeutet dies, dass Messgeräte zwar per Design ihre Level-Einteilung nicht verlieren, aber durch Alterung und Umwelteinflüsse sich die Spezifikationen stetig verändern. Daher geben alle Hersteller von Messgeräten Zeiträume an, in denen die Spezifikationen sicher eingehalten sind. Typischerweise beträgt bei den Feldmessgeräten für LAN-Installationen dieser Zeitraum zwölf Monate. Nach dieser Zeit sollte der Hersteller das Gerät auf die Einhaltung der Messgenauigkeit überprüfen und gegebenenfalls nachjustieren.

Der 2,5-GHz-Verkabelungszertifizierer Wirexpert mit Genauigkeitszertifikat "Level V" in den Händen eines geschulten Technikers.

Tabelle 1. Genauigkeitsklassen von Verkabelungszertifizierern.

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