Normgerechte RZs nach EN 50173-5 und EN 50600-X

Strukturiert und ausfallsicher verkabelt

17. April 2015, 7:43 Uhr | Andreas Klees, als Geschäftsführer von ZVK in Garching bei München verantwortlich für die Business Unit Easylan, www.easylan.de./jos

Die europäische Norm für eine strukturierte Verkabelung von Rechenzentren und Server-Räumen EN 50173-5 sorgt für einen einheitlichen und übersichtlichen Aufbau von Verkabelungen im Rechenzentrum. Zusätzliche Anforderungen an die Verkabelung ergeben sich aus der neuen Normenreihe EN 50600-X, die alle Aspekte von RZs umfasst. Obwohl die EN 50173-5 schon vor Jahren verabschiedet wurde, entsprechen noch lange nicht alle RZ-Infrastrukturen dieser Norm, was Haftungsprobleme verursachen kann.Noch heute sind RZ-Verkabelungen mit direkten Schrank-zu-Schrank-Verbindungen verbreitet. Doch bei Punkt-zu-Punkt-Verbindungen lässt der IT-Betreuer den Wartungsaspekt außen vor. Sobald sich eine solche IT-Infrastruktur ändert, treten Probleme auf: Sind beispielsweise neue Server oder Switches zu integrieren, passen die Anschlüsse oft nicht mehr. Der Techniker benötigt ein anderes Verbindungskabel zwischen den Geräten. Außerdem lassen sich die vorhandenen, oft dicht gepackten Kabel im Doppelboden kaum noch identifizieren und aus dem Doppelboden ziehen. Ist zudem die Netzwerkdokumentation nicht auf dem aktuellen Stand, steigt das Risiko, dass der Service-Techniker bei der Umschaltung einen aktiven Port unterbricht. Hinzu kommt, dass mit zusätzlichen aktiven Komponenten auch der Kühlbedarf im Rechenzentrum zunimmt, die kalte Luft aber kaum noch ungehindert durch den vollgepackten Doppelboden strömen kann.   Die Verkabelung nach EN 50173-5 Die strukturierte Verkabelung nach EN 50173-5 basiert auf langjährigen Best-Practice-Erfahrungen von großen Rechenzentrumsbetreibern und berücksichtigt solche Aspekte. In der Norm sind keine Punkt-zu-Punkt-Verbindungen mehr vorgesehen. Sie ermöglicht Netzanpassungen ohne Störung des Betriebs. Sie propagiert eine anwendungs- und herstellerneutrale Infrastruktur, bei der die Verkabelungskomponenten und -systeme abhängig vom Datendurchsatz und Umgebungsbedingungen bestimmten technischen Mindestanforderungen entsprechen müssen. Bei einer strukturierten Verkabelung nach EN 50173-5 sind die einzelnen Geräte und Systeme analog zur LAN-Verkabelung über Bereichsverteiler an den Hauptverteiler eines RZs angeschlossen. Der Hauptverteiler verbindet die Bereichsverkabelungen des RZs mit den Zugangsnetzen sowie mit dem LAN. Sowohl die Bereichs- als auch der Hauptverteiler müssen als Cross-Connects, also als echte Patch-Verteiler, ausgeführt sein. Dies gewährleistet ein sicheres, gut zu dokumentierendes und durch die gute Zugänglichkeit einfach und damit kosteneffizient durchführbares Patch-Management. Außerdem erlaubt diese Infrastruktur eine flexible Konfiguration von Redundanzen. So lässt sich zum Beispiel die Verfügbarkeit erhöhen, wenn die Bereichsverteiler oder die Access-Gateways jeweils miteinander verbunden sind.   Topologien Die Norm erlaubt verschiedene Topologien in der RZ-Verkabelung. Sie richtet sich nach den Bedürfnissen des Betreibers und der vorhandenen Infrastruktur. Die Topologie sollte jedoch einheitlich ausfallen, um Wartungsarbeiten und Erweiterungen zu vereinfachen und möglichst prozesssicher gestalten zu können. Häufig anzutreffen sind zum Beispiel Infrastrukturen mit zentralem Bereichsverteiler oder mit zusätzlichen lokalen Verteilerpunkten in den Schrankreihen. Zentrale Bereichsverteilung: Will der RZ-Betreiber alle IT-Komponenten einzelner Abteilungen eines Unternehmens oder Firmen in einem Bürogebäude jeweils in einem Schrank unterbringen, bietet sich eine Topologie mit einem zentralen Bereichsverteiler an. Dabei sind alle Schränke mit ihren Netzwerk- und SAN-Servern sowie -Switches direkt an den zentralen Bereichsverteiler angeschlossen. Über diesen Bereichsverteiler erfolgt dann die Anbindung an Netzwerk-Core und SAN des Bereichs. Verteilte Switch-Racks mit Patch-Bereich: Ebenfalls verbreitet sind Rechenzentren, bei denen jede Server-Schrankreihe mit einem Switch-Rack am Ende der Reihe ausgestattet ist. Diese Switch-Racks verfügen über einen großen Patch-Bereich und fungieren als lokale Verteilerpunkte. Sie binden die Server ihrer Schrankreihe an den Switch-Core und das SAN dieses RZ-Bereichs. Bei dieser Topologie ist die Bereichsverteilung auf die lokalen Verteilpunkte und einen Verteiler am Core aufgeteilt. Die Verbindungen lassen sich von den lokalen Verteilpunkten in den Reihen übersichtlich per Uplink mit dem Bereichsverteiler verbinden.   Empfehlungen des BSI Im RZ kann der Betreiber die Kabel entweder im Doppelboden oder in Trassen über den Schränken führen. Das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) bevorzugt in seinem IT-Grundschutzkatalog M1.69 "Verkabelung in Server-Räumen" jedoch eine Verlegung unter der Decke. Die Kabel lassen sich dort leichter austauschen und beeinträchtigen den Luftstrom der Kühlung im Doppelboden nicht. Außerdem sollen die Kabel "so weit als möglich umfassend fest" verlegt sein. Das BSI schlägt vor, pro Server-Schrank ein Kupfer- und ein LWL-Patch-Feld vorzuhalten. Die EN 50173-5 verweist für die Wahl der Komponenten auf den allgemeinen Teil 1 der Normenreihe. Darin sind die verschiedenen Kabel- und Steckertypen spezifiziert, die der Anwender für die ebenfalls darin normierten Übertragungsklassen und Komponentenkategorien benötigt. Da im RZ hohe Datenraten vorherrschen, kommen in der Kupfertechnik nur Komponenten der Kategorie 6A (500 MHz) oder 7A (1.000 MHz) infrage. Eine Verbindung sollte mindestens der Klasse EA beziehungsweise FA entsprechen. Die Verkabelung in und zwischen den Schränken ist häufig mit Kupferverbindungen realisiert, ebenso wie die Anbindung an den Bereichsverteiler, sofern die Distanzen unter 100 Meter bleiben. Komponenten der Kategorie 6A eignen sich für 10-Gigabit-Ethernet-Verbindungen bis 100 Meter und basieren auf dem verbreiteten RJ45-Steckgesicht. Bei Datenraten von 1 und 10 GBit/s müssen alle Komponenten aufeinander abgestimmt sein, auch die Patch-Kabel. Ein billiges Patch-Kabel, das nicht der installierten Komponentenkategorie entspricht, kann die Übertragung erheblich beeinträchtigen.   Glasfasertechnik Die LWL-Verbindungen im Rechenzentrum sollten heute für Datenraten bis 40 oder 100 GBit/s ausgelegt sein. Manche RZ-Betreiber schwören auf Singlemode-Fasern und setzen diese durchgängig im Rechenzentrum ein. Dies schafft zwar Bandbreitenreserven, ist jedoch erheblich teurer als Lösungen mit Multimode-Fasern. Allein der dafür nötige Fabry-Perot-Laser kostet um ein Vielfaches mehr als ein Vertical Cavity Surface Emitting Laser (VCSEL). Dieser Oberflächenemitter kommt heute üblicherweise bei Verkabelungen mit Multimode-Fasern zum Einsatz. Bei Multimode-Verbindungen innerhalb des Rechenzentrums genügen für 10GbE direkte Short-Reach-Verbindungen mit OM3- oder OM4-Fasern. Sie erlauben Distanzen bis 300 Meter beziehungsweise 500 Meter. Bei 40 Gigabit Ethernet ist ein Vierfachwellenlängen-Multiplexing nötig, um mit OM3-Fasern 100 Meter und mit OM4-Fasern 125 Meter zu überbrücken. Bei 100GbE sind zwei Multiplex-Varianten möglich: Mit einem Vierfach-Multiplexing lassen sich Distanzen bis 100 Meter (OM3) beziehungsweise 125 Meter (OM4) überbrücken. Darüber hinaus ist mit 100GBase-SR10 ein Zehnfach-Multiplexing definiert, das für die gleichen Distanzen mit einem 10fach-VCSEL-Array erreicht. Dort bietet sich auf jeden Fall der flache zwölfpolige MPO- oder MTP-Steckverbinder in Kombination mit einem Ribbon- oder Bändchenkabel an. Für Glasfaserverbindungen im RZ sind Small-Form-Factor-Stecker (SFF-Stecker) weit verbreitet. Die Duplex-Steckverbinder haben in etwa die Abmessungen eines RJ45 und bieten entsprechend hohe Packungsdichten. Am weitesten verbreitet ist der LC-Duplex, der in der Regel auch in den aktiven Komponenten verbaut ist. Vereinzelt findet man auch den E2000 oder den MTRJ oder alte SC-Steckverbinder. Bei Singlemode-Fasern findet man neben der LC-Singlemode-Variante Stecker mit schräg geschliffener Stirnfläche (APC). Der Schrägschliff soll vermeiden, dass an der Oberfläche reflektiertes Licht wieder in den lichtführenden Kern gespiegelt wird. Die MICE-Klassifizierung der EN 50173 (MICE: Mechanical, Ingress, Climatic, Electromagnetic) für Rechenzentren geht von einer mittleren mechanischen und einer hohen elektromagnetischen Belastung aus. Letzteres spricht zum Beispiel für Glasfaserlösungen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Kabel wegen des Platzmangels biegeunempfindlich auszulegen. Biegeunempfindliche Glasfasern können Daten selbst bei Biegeradien von 15 oder gar 7,5 mm nahezu verlustfrei übertragen. Ein reduzierter Brechungsindex mit einer Grabenstruktur im Mantel wirft das Licht zurück in den Kernbereich. Dennoch ist es wichtig, auch diese Fasern möglichst stressfrei zu verlegen. Denn der biegeoptimierte Mantel verhindert keine Faserbrüche. Moderne Rechenzentren sind heute durchgängig mit vorkonfektionierte Trunk-Kabel-Lösungen und Mehrfachsteckern konfektioniert. Das gilt für Kupfer- und Glasfasertechnik. Dabei sind mehrere Datenverbindungen in einem Kabel integriert. Dies ermöglichen einen kleineren Gesamtquerschnitt, eine geringere Brandlast und zudem eine schnellere Installation. Außerdem sind damit Packungsdichten von mehr als 48 Ports pro Höheneinheit möglich. Auf dem Markt erhältliche High-Density-Systeme bieten zum Beispiel 168 Ports auf drei Höheneinheiten. Da die Mehrfachstecker solcher Systeme meist in spezielle Einbaurahmen geschraubt werden, gibt es Lösungen, die auch einen senkrechten Einbau von schmalen Elementen seitlich neben der 19-Zoll-Ebene ermöglichen.   Patch-Kabel Bei der strukturierten RZ-Verkabelung ist die Patch-Ebene das entscheidende Betätigungsfeld für das Wartungspersonal. Dicht gepackte Anschlüsse müssen selbst für Handwerkerhände lösbar sein. Es gibt heute Patch-Kabel, die mit RJ45-Push-Pull-Steckern ausgestattet sind. Bei dieser RJ45-Steckervariante drückt der Service-Techniker nicht mehr die kleine RJ45-Klinke, um einen Anschluss zu lösen, sondern er zieht an der Tülle und entriegelt so die Verbindung. Solche Patch-Kabel müssen nicht teurer sein als herkömmliche Kategorie-6A-Patch-Kabel.   EN 50600-X Zusätzliche Anforderungen an die Verkabelung ergeben sich aus der neuen Normenreihe EN 50600-X. Die beteiligten Gremien verabschieden die zugehörigen Standards seit Mitte 2013 sukzessive. Betreiber sollten sie bei der Planung oder Modernisierung einer RZ-Verkabelung unbedingt berücksichtigen. Dabei umfasst die EN 50600-1 allgemeine Aspekte: Sie definiert die Teile eines Rechenzentrums, die Designform, Klasse, Typ und Größenordnung sowie Verfügbarkeitsanforderungen. Außerdem lassen sich mit ihr Redundanzen normkonform festlegen. Mit den Normen EN 50600-2-X sind alle weiteren Aspekte von Rechenzentren abgedeckt: EN 50600-2-1 Gebäudekonstruktion, EN 50600-2-2 Energieversorgung, EN 50600-2-3 Klimatisierung, EN 50600-2-4 Telekommunikation, EN 50600-2-5 Sicherheitstechnik sowie EN 50600-2-6 Management und Betrieb. An dieser Stelle spielt zum Beispiel die Prozesssicherheit mit hinein, etwa bei Um-Patchungen. Jede Netzveränderung bedeutet ein Umstecken von Anschlüssen im Verteilerschrank. Zudem verändert sich das Netz ständig. Dabei hinkt die Dokumentation oft hinterher. Dies kann dazu führen, dass eine Beschriftung nicht mehr mit dem zugeordneten Port übereinstimmt. Patch-Kabel mit LED-Signalisierung erhöhen hier die Prozesssicherheit: Sie leuchten auf, wenn der Anwender an einem Ende des Kabels eine Stromquelle einsteckt. Dies erleichtert Wartungsmaßnahmen während des Betriebs. Außerdem lassen sich solche Patch-Kabel als komplettes Bündel verlegen und später Dank der LED-Signalisierung sicher anschließen. Dies beschleunigt die Installation.

Eine verteilte RZ-Topologie mit dem High-Density-Verkabelungssystem Easylan H.D.S. Damit sind in Kupfer und LWL Packungsdichten bis 168 Ports auf drei HE im 19-Zoll-Bereich möglich. Über Sidepanels ist auch der Bereich neben der 19-Zoll-Ebene nutzbar.

Push-Pull-Patch-Kabel eignen sich für besonders enge Platzverhältnisse: Der Anwender zieht nur noch an der Tülle.

Die strukturierte Rechenzentrumsverkabelung gemäß EN 50173-5. Abkürzungen: ENS: Schnittstelle zum externen Netz; HV: Hauptverteiler; BV: Bereichsverteiler; LVP: lokaler Verteilerpunkt; GA: Geräteanschluss.

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