Internationale Standardisierung bei Kabelsystemen

Weltweite Akzeptanz für deutsche Expertise

1. März 2006, 0:15 Uhr | Yvan Engels/jos Yvan Engels ist Leiter Produkt Management ICT Cables & Systems bei Kerpen und Mitglied von ISO/IEC JTC1-SC25 WG3.

Die Normen für Hochgeschwindigkeitsübertragungen per Kupferkabel nehmen weiter Form an. Auch bei den Bezeichnungen rührt sich etwas: Zwei neue Verkabelungsklassen heißen EA für 500 MHz und FA für 1000 MHz.

Auf der letzten Sitzung des internationalen Verkabelungskomitees (ISO/IEC JTC1/ SC25) vom 26.
bis 30. September 2005 im schottischen Edinburgh behandelten die Experten wichtige
Orientierungspunkte und Anforderungen für künftige Netzwerkinfrastrukturen. Schwerpunkte waren:

IEEE 802.3an: 10 Gigabit Ethernet über 100 Meter Kupfer,

TR 24750: Anforderungen für die Unterstützung von 10 GbE durch bereits
installierte Verkabelungen und

ISO/IEC 11801 Amendment: Erweiterung der Verkabelungsnorm durch neue
Verkabelungsklassen.

An der Sitzung nahmen rund 60 Spezialisten aus 20 Ländern teil. Die Eingaben der deutschen
Delegation fanden eine mehrheitliche Zustimmung. Zahlreiche Positionen werden in künftige
Normdokumente einfließen.

IEEE 802.3an: 10 GbE über 100 m Kupfer

Mit IEEE 802.3an D2.3 liegt bereits ein recht stabiler Normentwurf für 10 GBase-T vor. Gegenüber
den bisherigen Ausgaben wurden zur Erhöhung der Übertragungssicherheit die Anforderungen an das
Alien Crosstalk (Mittelwert PSANEXT/PSAELFEXT) nochmals verschärft. Der finale Entwurf D3.0 ist
noch für dieses Jahr geplant. Der Entwicklungsplan sieht unverändert eine Veröffentlichung des
Standards für Mitte 2006 vor. Die größte technische Herausforderung bei der Übertragung von 10 GbE
bleiben das Beherrschen und das Vermeiden des Fremdnebensprechens. Das Alien Crosstalk beschreibt
die unerwünschte gegenseitige elektrische Beeinflussung von parallel nebeneinander liegenden
Kabelstrecken im Installationskanal und im Bereich der Verteilerfelder.

Störbeeinflussungen durch Alien Crosstalk lassen sich – anders als bei NEXT und Dämpfung –
elektronisch nicht kompensieren. Zudem ist eine Messung im Installationsumfeldfeld mit vertretbarem
wirtschaftlichen Aufwand nicht möglich. Geschirmte Verkabelungen erfüllen die Anforderungen an
Alien Crosstalk mit großer Sicherheit. Die dazu nötigen Eigenschaften sind gewissermaßen "angeboren"
oder per Design vorhanden und ändern sich auch in der Installationsumgebung nicht mehr. Zudem
bleibt der aufgezeigte Sicherheitsabstand bei unterschiedlichen Kanallängen erhalten. Daher gelten
geschirmte Verkabelungen in IEEE 802.3an als die bevorzugte Lösung.

TR 24750

Im Technischen Report TR 24750 (draft) sind die Anforderungen für die Unterstützung von 10 GbE
durch bereits installierte Verkabelungen aufgeführt:

Klasse-F/Kategorie-7-Verkabelungssysteme sind für Übertragungsstrecken von 100 Meter und mehr
ausgelegt und erfüllen schon heute die Anforderungen in vollem Umfang;

Klasse-E/Kategorie-6-Verkabelungssysteme in geschirmter Ausführung können für
Übertragungsstrecken bis 100 Meter geeignet sein. Vorraussetzung ist jedoch das
spezifikationsgemäße Übertragungsverhalten bis 500 MHz. Relevant sind zudem noch die Art und
Anschlussqualität des Schirms;

Klasse-E/Kategorie-6-Verkabelungssysteme in ungeschirmter Ausführung können für
Übertragungsstrecken bis 55 Meter geeignet sein. Die ungeschirmten Verkabelungsstrecken müssen
insbesondere auf ihr Verhalten gegenüber dem Alien Crosstalk geprüft werden;

Klasse-D/Kategorie-5-Verkabelungssysteme unterstützen 10 GbE nicht und kommen für diese
Anwendung nicht in Betracht.

Bei Nichtbestehen der Anforderungen gemäß TR 24750 (aus IEEE 802.3an) können Nachbesserungen an
der bereits installierten Anlage eine Verbesserung der Leistung herbeiführen. Dies betrifft im
Wesentlichen ungeschirmte Verkabelungssysteme, da hier Alien Crosstalk naturgemäß erheblich
einwirkt und in starkem Maße von der Installationsumgebung abhängig ist.

TR 24750 enthält Vorschläge dazu, wie sich speziell ungeschirmte Verkabelungen verbessern
lassen, um die Eignung für 10 GbE zu erlangen. In Frage kommen zum Beispiel:

Eine Verkürzung der Übertragungslängen,

der Ersatz von Crossconnect-Verbindungen durch Interconnect-Verbindungen,

der Ersatz von Consolidation Points,

die Verwendung nicht benachbarter Ports im Verteilerfeld oder

eine Verwendung von geschirmten statt ungeschirmten Anschlusskabeln.

Wenn die Stichprobenmessung des PSANEXT an sechs Kanälen in einem Verteilerfeld und dessen
Nachbarn Grenzwertverletzungen von mehr als 6 dB aufweist, ist allerdings eine ausreichende
Verbesserung der Verkabelung nicht mehr möglich. In diesem Fall steht eine komplette Neuverkabelung
an.

ISO/IEC 11801 amendment 1

Die Überarbeitung und Erweiterung der zweiten Ausgabe ISO/IEC 11801 amendment 1 (draft)
beschäftigt sich mit neuen Verkabelungsklassen. Die bis dato technisch noch nicht feststehenden
Anforderungen (ffs) sind jetzt mit entsprechenden Werten belegt. Beim Amendment 1 handelt es sich
allerdings ursächlich um die Entwicklung neuer Verkabelungssysteme, die den Anforderungen künftiger
Anwendungen (zum Beispiel 10 GbE) Rechnung tragen.

Diese neuen Verkabelungsklassen tragen seit Edinburgh 2005 die Namen EA für 500 MHz und FA für
1000 MHz. Damit entsprach das Gremium unter anderem dem Vorschlag des deutschen Kabelfachverbands
nach einer klaren Trennung zwischen den bisherigen und den neuen Klassen. Der Entwicklung einer
Verkabelungsklasse G mit einer Bandbreite von mehr als 1200 MHz konnte aufgrund anderer Prioritäten
nicht zugestimmt werden. Nach dem Motto "aufgeschoben ist nicht aufgehoben? kommt dieses Thema über
ein so genanntes NWIP (New Work Item Proposal) wieder auf die Tagesordnung.

Das nun zur Abstimmung stehende Amendment 1 zu ISO/IEC 11801 2. Ausgabe enthält somit folgende
normative Verkabelungsklassen und Übertragungskanäle:

Klasse D bis 100 MHz,

Klasse E bis 250 MHz,

Klasse EA bis 500 MHz,

Klasse F bis 600 MHz und

Klasse FA bis 1.000 MHz.

Aufgrund der großen Komplexität in der konsistenten Modellierung von Übertragungskanal,
Permanent Link und Komponenten haben die Experten im ersten Schritt nur die Kanalanforderungen
definiert. Sobald das mathematische Modell steht und durch Messungen belegt ist, lässt sich die
Normierung der Komponentenanforderungen vornehmen. Einen Fortschritt erzielte man ebenfalls in der
Klassifizierung der EMV-Anforderungen. In den Klassen E1, E2 und E3 wurden erste Werte für die
Unsymmetriedämpfung (ungeschirmte Kabel) und für die Kopplungsdämpfung (geschirmte Kabel)
festgeschrieben. Als weitere Normprojekte stehen an: ISO/IEC 24764 für Speichernetzwerke ISO/IEC
24702 für die industrielle Verkabelung, ISO/IEC 15018 für die Heimverkabelung (Spezifikation für
Baluns) und IEEE 802.3at zu Power over Ethernet plus (Erhöhung auf Leistungsaufnahme von 30 Watt
über vier Paare).


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+