Nachhaltige „Future of Work“

Aufbruch in den grünen Bereich

3. März 2022, 7:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner
© Wolfgang Traub

Man trägt grün: Die IT-Industrie präsentiert sich gerne als treibende Kraft, um das Wirtschaften effizienter und somit klimafreundlicher zu gestalten. Doch die Praxis ist bunter, als es auf den ersten Blick scheint: Erstens kommt es darauf an, welche Prozesse die IT mit Rechenpower, Vernetzung, Big Data, KI und Co. beschleunigt. Zweitens hat die Pandemie gezeigt, dass Dauerarbeit im Home-Office nicht unbedingt die „Zukunft der Arbeit“ ist – und auch nicht unbedingt der klimafreundlichste Weg. Es gilt also, genau hinzuschauen, wie eine nachhaltige digitale Arbeitswelt entstehen kann – und nicht nur eine grüne Fassade.

„Deutschland will 2030 65 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 1990. Ein breit angelegtes Digitalisierungsprogramm ist hier von allen Instrumenten das wirksamste“, erklärte Bitkom-Chef Dr. Bernhard Rohleder letzten Herbst. Um mitzuhelfen, die gröbsten Schäden durch die Erderhitzung noch abzuwenden, will Deutschland seinen Treibhausgasausstoß von 729 Mt CO2e (Kohlendioxid-Äquivalent) im Jahr 2020 (laut Zahlen des Umweltbundesamts) bis 2030 auf 438 Mt senken und bis 2045 auf „Net Zero“, nada, null. Das Einsparpotenzial durch Digitalisierung ist dabei laut einer Bitkom-Studie enorm: Von den 372 Mt CO2e, die gegenüber 2019 (so der Bitkom-Referenzwert) zu vermeiden sind, könne man 28 Prozent schon durch moderate Digitalisierung erreichen, durch eine beschleunigte sogar 41 Prozent.

Abzüglich des Energieverbrauchs der IT selbst bleibt laut Bitkom noch eine Reduktion von 23 Prozent (im moderaten Fall) oder 34 Prozent (bei mehr Speed). Kein Wunder, dass Rohleder betont: „Wir brauchen ein Programm, das solche digitalen Technologien gezielt fördert, die für mehr Nachhaltigkeit sorgen.“ Sein Verband sieht die Digitalisierung vorrangig in sieben Bereichen gefordert: effektivere Fertigung, intelligentere Mobilität, optimierte Stromnetze (Stichwort: Smart Grid), energieeffizientere Gebäude (Smart Homes etc.), eine modernere Landwirtschaft, ein stärker IT-gestütztes Gesundheitswesen (Telemedizin etc.) sowie ein digitalisiertes Arbeitsleben mit Remote Work und Online-Collaboration.

Dieser bunte Strauß könnte einen glatt glauben lassen, Digitalisierung sei gleich Klimaschutz. Dem ist leider nicht so. Ein Beispiel: In einem Report zur Digitalisierung in der Modebranche hebt das Beratungshaus McKinsey lobend hervor, dass eine (nicht genannte) US-Modemarke in Zeiten pandemiebedingter Ladenschließungen seinen Marktanteil steigern konnte, und zwar durch Maßnahmen wie Data-Mining des Online-Nutzerverhaltens und individualisiertes Online-Marketing. Schick, modern, digital, in der Tat – aber ein Fast-Fashion-Anbieter. Und „Fast Fashion“ heißt: unter Ausbeutung natürlicher Ressourcen und der Arbeitskräfte in armen Ländern schnell auf den Markt geworfene Einwegmode, die wenig später auf der Müllhalde, bestenfalls im Second-Hand-Laden landet.

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Das CO2-Einsparpotenzial durch Einsatz digitaler Technologien laut Bitkom.
Das CO2-Einsparpotenzial durch Einsatz digitaler Technologien laut Bitkom.
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Lobt der Bitkom also die „Steigerung der Produktivität in der Fertigung“ als Beitrag auf dem Weg zu „Net Zero“ , muss die Frage erlaubt sein, was denn da gefertigt wird. „Die Kernfrage ist die nach den Business-Modellen“, sagte Planetgroups-Gründer Tim Riedel kürzlich im LANline-Interview auf die Frage nach dem Klimaschutz-Potenzial einer modernen, digital gestützten Arbeitswelt: „Welche Produkte und Dienstleistungen bieten wir an, welchen Wertbeitrag leisten wir damit für die Zukunft unserer Gesellschaften und unseres Planeten, und wie können wir gegebenenfalls genausoviel – oder sogar mehr – Geld verdienen, nicht obwohl, sondern indem wir gleichzeitig den Wertbeitrag erhöhen und den dafür erforderlichen Ressourceneinsatz reduzieren? Wenn die ‚moderne, digital gestützte Arbeitswelt‘ das nicht leisten kann, dann brauchen wir sie nicht.“


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