Interview mit Planetgroups-Gründer Tim Riedel

Klimawandel am Arbeitsplatz

31. Januar 2022, 7:00 Uhr |
© Wolfgang Traub

Wenn früher vom „Arbeitsklima“ die Rede war, dann ging es um das kollegiale Miteinander von Beschäftigten und Vorgesetzten. Heute hat das Wort „Klima“ dabei ganz neues Gewicht: Immer mehr Unternehmen setzen sich hohe Ziele in Sachen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Kampf gegen die Erderhitzung – und diese Ziele gilt es nun mit Leben zu füllen, ohne Ressentiments und Widerstand seitens der Belegschaft zu provozieren. Die Initiative Planetgroups, angestoßen im Sommer 2020, will das Engagement für mehr Nachhaltigkeit als „Graswurzelbewegung“ in den Unternehmen verankern und Beschäftigte zu Klimaaktivisten machen. LANline sprach mit Planetgroups-Gründer Tim Riedel.

LANline: Herr Riedel, laut einem Report des Borderstep-Instituts vom Herbst letzten Jahres hat die pandemiebedingte Home-Office-Welle nicht dazu geführt, dass die Menschen weniger Auto fahren, und auch die Energiebilanz der Heimbüros ist nicht unbedingt besser (LANline berichtete). Was können Unternehmen tun, damit die moderne, digital gestützte, verteilte Arbeitswelt auch eine nachhaltige Arbeitswelt werden kann?

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„Wir incentivieren das Falsche“, warnt Berater, HR-Fachmann und Planetgroups-Gründer Tim Riedel.
„Wir incentivieren das Falsche“, warnt Berater, HR-Fachmann und Planetgroups-Gründer Tim Riedel.
© Jo Jankowski

Tim Riedel: Die Kernfrage ist die nach den Business-Modellen: Welche Produkte und Dienstleistungen bieten wir an, welchen Wertbeitrag leisten wir damit für die Zukunft unserer Gesellschaften und unseres Planeten, und wie können wir gegebenenfalls genausoviel – oder sogar mehr – Geld verdienen, nicht obwohl, sondern indem wir gleichzeitig den Wertbeitrag erhöhen und den dafür erforderlichen Ressourceneinsatz reduzieren? Wenn die „moderne, digital gestützte Arbeitswelt“ das nicht leisten kann, dann brauchen wir sie nicht. Ansonsten geht es hier viel um Kultur- und Bewusstseinswandel, den Unternehmen auch proaktiv unterstützen können. Sie können ihrer Belegschaft Angebote zum Ridesharing machen oder das Pendeln per Fahrrad unterstützen oder auch E-Firmenfahrzeuge zur Verfügung stellen und Ladestationen einrichten. Zudem könnten sie den Angestellten Kredite geben, um Solartechnik aufs Dach zu montieren, die Heizung auf eine Wärmepumpe umstellen etc. Und übrigens bestehen auch in der Kantine viele Möglichkeiten, um einen Bewusstseinswandel anzustoßen. Man kann Menschen zu Klimaaktivisten machen, ohne überhaupt über den Klimawandel zu reden oder das Reizwort „Verzicht“ auszusprechen, denn ein Bewusstseinswandel ist oft ökonomisch oder Lifestyle-incentiviert: Es spart eben einfach viel Geld oder ist „cool“ und regt das kollegiale Miteinander an, mit dem Fahrrad oder zu viert im Auto zur Arbeit zu pendeln.

LANline: Wie könnten Unternehmen vorgehen, um eine nachhaltige, umweltgerechte Gestaltung der Arbeit nicht nur zum Arbeitsalltag, sondern zum Teil ihrer Unternehmenskultur zu machen?

Tim Riedel: Mit unseren Planetgroups verfolgen wir den Ansatz, Ziele durch Mitarbeiter*innen-Initiativen von innen voranzubringen, sodass sie aus der Mitte der Belegschaft kommen. Das heißt nicht, dass es dann keinen Widerstand mehr gibt – aber diesen zu überwinden ist dann eine Frage der Kommunikation, der Strategie und letztlich des Markenkerns. Wenn ein Unternehmen eine Klimastrategie hat und sie mit seinem Markenkern verbindet, muss es sich bestimmte Reduktionsziele setzen und diese auf einzelne Maßnahmen herunterbrechen. Das heißt dann eben zum Beispiel, innerhalb Deutschlands wird nicht mehr geflogen. Das ist nur eine Frage der Glaubhaftigkeit und Stringenz. Wichtig ist, das nicht zur ideologischen Frage zu machen, sondern als Common-Sense-Frage zu behandeln. Dies steht und fällt mit der Transparenz, also der Erfassung relevanter Daten – Handeln ohne zu messen erzeugt Akzeptanzprobleme.

LANline: Borderstep registrierte als einen Trend eine Tendenz zur Stadtflucht, da Remote-Beschäftigte schließlich von überall aus arbeiten können, wo es Breitband-Internet gibt. Was kann man tun, um einer drohenden Zersiedelung durch Remote Work entgegenzuwirken?

Tim Riedel: Wichtig ist zuerst einmal: Nicht Remote-Arbeit führt zu Zersiedelung, sondern Siedlungspolitik und Raumplanung führen zu Zersiedelung. Statt schlecht isolierter Einfamilienhäuser mit 1.000 Quadratmeter Garten kann man auch auf dem Land großartige, sich selbst versorgende Positivenergie-Siedlungsprojekte bauen. Hier muss man die richtigen Anreize schaffen. Gleiches gilt für den Verkehr: Wenn es keine Nah- und Fernverkehrsangebote gibt, dann fahren die Leute eben mit dem Auto.

LANline: Wie können Unternehmen dabei unterstützen?

Tim Riedel: Unternehmen können hier viel beitragen, zum Beispiel mit der örtlichen Kommune zusammenarbeiten oder selbst einen Shuttle-Service vom S-Bahnhof zur Firma anbieten. Neben finanziellen Anreizen für die Beschäftigten gibt es beispielsweise auch die Option, eine App einzuführen, mit der die Beschäftigten tracken können, wie CO2-intensiv sie dieses Jahr gereist oder gependelt sind. Dann können sie sich Ziele setzen, sich vergleichen oder Feedback erhalten. Das schafft Anreize, sich vernünftiger zu verhalten.


  1. Klimawandel am Arbeitsplatz
  2. Die Rolle der IT-Branche

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