Bitkom kritisiert Entwurf des Energieeffizienzgesetzes

„Rechenzentren werden aus Deutschland vertrieben“

12. April 2023, 7:00 Uhr | Wilhelm Greiner
Der Gesetzgeber will Rechenzentren künftig energieeffizienter betrieben wissen und in die Fernwärmeversorgung einbinden.
© Mainova

Anfang April stellte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz vor, das auch neue Vorschriften für Rechenzentren vorsieht. Der ITK-Branchenverband Bitkom reagierte prompt und mit heftiger Kritik.

Das geplante Energieeffizienzgesetz legt Energieeffizienzziele für 2030, 2040 und 2045 in puncto Primär- und Endenergie fest. Damit will die Bundesregierung die Vorgaben der Novelle der EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) für Deutschland umsetzen.

Das Gesetz wirkt sich auch auf RZ-Betreiber aus, zielt doch der Gesetzgeber unter anderem auf energieeffizientere RZs: Der Entwurf sieht vor, dass Rechenzentren, die vor dem 1. Juli 2026 in Betrieb gehen, ab dem 1. Juli 2027 eine Energieverbrauchseffektivität (also einen PUE-Wert) von höchstens 1,5 und ab dem 1. Juli 2030 von höchstens 1,3 erreichen. Ab Juli 2026 in Betrieb genommene RZs müssen sofort 1,3 erzielen.

In Zeiten der Klimaüberhitzung kann es sich Deutschland nicht mehr leisten, dass immer mehr Rechenzentren immer mehr Abwärme erzeugen und einfach in die Luft pusten. Deshalb sollen RZs laut dem Entwurf einen Teil ihrer Energie wiederverwenden: ab 2026 mindestens zehn Prozent, ab 2027 dann 15, ab 2028 schließlich 20 Prozent.

Übertriebene RZ-Kühlung treibt den Strombedarf unnötig in die Höhe. Deshalb sind laut dem Entwurf RZs, die ab dem 1. Januar 2024 in Betrieb gehen, so zu errichten und zu betreiben, dass sie für die Luftkühlung der IT mit der minimalen Eintrittstemperatur von 27 °C arbeiten. Eine niedrigere Eintrittstemperatur ist zulässig, sofern man sie ohne Kälteanlage erreicht.

Zugleich sollen RZ-Betreiber den Stromverbrauch ihrer Rechenzentren bilanziell ab 2024 zu 50 Prozent und ab 2027 zu 100 Prozent durch ungeförderten Strom aus erneuerbaren Energie decken. Und schließlich sieht der Entwurf vor, dass sie ab Juli 2025 Energie- und Umwelt-Management-Systeme einsetzen.

Beim Bitkom reagierte man geradezu empört: „Der nun vorliegende Referentenentwurf für ein Energieeffizienzgesetz ist eine Enttäuschung für die Betreiber von Rechenzentren und erschwert den Aufbau eines digital souveränen Deutschlands“, wetterte Bitkom-Präsident Achim Berg in einer Stellungnahme. „Mit diesem Energieeffizienzgesetz werden Rechenzentren aus Deutschland vertrieben – und das, obwohl sie für eine erfolgreiche Digitalisierung und für unsere digitale Souveränität unabdingbar sind.“ Denn der Entwurf enthalte Effizienzvorgaben, die nach heutigem Stand „schlicht nicht erreichbar“ seien.

Vor allem stößt sich der Verband an den Plänen, die RZ-Abwärme nutzbar zu machen: „Bleibt es bei den nun vorgesehenen Regelungen, können neue Rechenzentren zukünftig nur noch dort angesiedelt werden, wo Abwärmenetze vorhanden oder verbindlich vorgesehen sind“, so Berg. Die Abwärmenetze würden aber bislang losgelöst von Rechenzentren geplant; umgekehrt folge die RZ-Standortwahl einer anderen Logik als die von Abwärmenetzen, richte sie sich doch danach, wo der regionale Bedarf an Rechenleistung hoch ist und in großem Umfang Strom aus grundlastfähigen Quellen bereitsteht.

„Die verpflichtende Abwärmenutzung von bis zu 20 Prozent ab 2028 begrenzt zusätzlich de facto die Größe neuer Rechenzentren, weil die Aufnahmekapazität von Fernwärmenetzen limitiert ist“ mahnt Bitkom-Chef Berg. „Neue Rechenzentren werden kleiner dimensioniert und verlieren damit energetische Effizienz, die man ja eigentlich fördern will.“ Auch lasse der Gesetzesentwurf entscheidende Standortfaktoren wie Stromversorgung und Internet-Knotenpunkte unberücksichtigt.

Ein Problem der RZ-Abwärmenutzung besteht darin, dass Rechenzentren oft in Industriegebieten stehen, während Fernwärmenetze meist in Ballungsräumen und somit zur Versorgung von Wohngebieten verlegt sind. Wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral sein will, ist es höchste Zeit, RZ-Abwärme und Fernwärmeversorgung zusammenzubringen. Hier ist also ein Umdenken in der Stadtplanung und in der Planung der Wärmeversorgung notwendig, damit das Prinzip „RZ als Heizkraftwerk“ funktionieren kann.

Erste Projekte dieser Art laufen bereits: Ein Telehouse-RZ, das den Frankfurter Stadtteil Westville mit Abwärme versorgt, wird nach Berechnungen des örtlichen Energieversorgers Mainova künftig 400 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen (LANline berichtete). Mainova selbst plant, das Frankfurter Kulturzentrum Batschkapp mit Abwärme aus seinem benachbarten RZ zu beliefern (LANline berichtete). Rein rechnerisch ließe sich laut Borderstep Institut der Wärmebedarf aller Frankfurter Privathaushalte und Bürogebäude ab 2030 durch Abwärme aus den örtlichen Rechenzentren decken.

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